Mit Worten wie „Ausnahmezustand“ wird medial eher inflationär umgegangen. Was den DAX angeht, ist der Begriff dieser Tage aber durchaus angemessen. Vor genau 25 Jahren wurde ein sehr ähnliches Szenario zum Beginn einer Baisse. Was heute an damals erinnert.
Weißes Haus-Eklat, China-Daten, Zölle, Koalitions-Sondierungen … und übermorgen schon wieder eine Entscheidung der EZB. Den Anlegern schwirrt der Kopf. Eigentlich ist die Gemengelage mit Masse negativ und wird eher kritischer als besser. Aber am deutschen Aktienmarkt wurde das zum Wochenstart nicht sichtbar, weil Marktteilnehmer wegen der unsicherer werdenden Sicherheitslage und den Aussagen aus Washington unterstellen, dass Aktien von Unternehmen, die mit dem Thema Verteidigung zu tun haben, unbedingt in jedes Depot müssen und, so wirkt es, scheinbar unlimitiertes Aufwärtspotenzial haben.
Das hebelte am Montag vor allem DAX und MDAX nach oben, der DAX schaffte es dabei durch massive Zugewinne bei Rheinmetall (+13,71 Prozent) und Airbus (+5,88 Prozent) über das bisherige Verlaufshoch von 22.935 Punkten hinaus. Zeitweise lag der deutsche Leitindex bis zu 778 Punkte vorne, am Ende ging es mit einem neuen Schlussrekord um 2,64 Prozent höher ins Handelsende.

Ein grandioser Sieg für die Bullen. Zwar ist der DAX dadurch markttechnisch auf allen Zeitebenen heiß gelaufen und könnte jederzeit scharf korrigieren. Aber nachdem der jüngste Rücksetzer sogar noch oberhalb der 20-Tage-Linie aufgefangen wurde, dürften sich viele im bullischen Lager sicher fühlen. Immerhin ist der DAX rein aus charttechnischer Sicht im „uncharted territory“ unterwegs, sieht sich also, nachdem er alles an Trendkanälen überboten hat, was die Charttechnik aufbieten könnte, keinen Charthürden mehr gegenüber. Aber vor genau 25 Jahren war das ebenso. Und es endete für die Bullen mit einem Desaster. Warum dieser Blick in ferne Vergangenheit?
Weil die Parallelen einem ins Auge springen, wenn man sich das mal genauer ansieht. Damals, vor 25 Jahren, erreichte der DAX das Hoch der Internet-Hausse am Faschingsdienstag, dem 7. März 2000. Am Aschermittwoch war damals, wie bei diesem uralten Karnevalslied, alles vorbei. Und es ist nicht nur der Zeitpunkt Anfang März, der eine Parallele bietet.
Expertenmeinung: Damals war man sich genauso sicher, dass die Hausse nichts würde aufhalten können. Dass eine untypisch teure Bewertung über das Kurs/Gewinn-Verhältnis irrelevant, weil längst als Maßstab überholt sei. Dass permanent genug frisches Geld kommen werde, um die Hausse aufrechtzuerhalten. Und dass die Rahmenbedingungen all das, was man in den Kursen vorweggenommen hat, schnell unterfüttern werden. Kurz: Man ging eine gewaltige Wette ein, ließ die Fakten zunehmend außen vor und verlor die Sache krachend.
Heute gehen die Bullen gleich mehrere Wetten ein. Sie wetten, dass KI zu einem immensen Wachstumstreiber und zugleich für alle, die damit zu tun haben, hochprofitabel wird. Kaum begann diese Wette zu wackeln, wurde sie von der Wette darauf ersetzt, dass Europa schnell und massiv in Verteidigung investieren muss und das zu einer Auftragsflut bei allen Unternehmen führen wird, die mit Rüstung zu tun haben. Doch ebenso, wie man sich zu selten die Frage stellte, ob bei einem Siegeszug der KI wirklich so viel mehr Geld aus dieser Entwicklung herauszuholen wird als man zuvor investieren musste, ignorieren einige beim Thema Rüstung scheinbar auch etwas:
Die Unternehmen, die wie Rheinmetall und Hensoldt hoch wahrscheinlich durch die Zuspitzung der Sicherheitslage einen Auftragsboom erleben, können ihre Kapazitäten nicht von einem Moment auf den anderen nach Belieben hochfahren. Anlagen und Mitarbeiter stehen da nicht für den Fall der Fälle in rauen Mengen als Reserve bereit. Es wird dauern, eine deutliche Intensivierung der Auftragslage umzusetzen. Und es ist darüber hinaus offen wann, wie viel und was genau man in den kommenden Jahren an zusätzlichen Rüstungsgütern benötigen und wirklich anschaffen wird. Die Trader hingegen kaufen bei diesen Aktien ohne Blick auf die Möglichkeiten, die Aktien werden durch diesen Run auf Levels getrieben, die womöglich sogar in zwei oder drei Jahren eine Überbewertung darstellen werden. Eine extrem riskante Wette.
Und ich vermute, dass es da noch eine dritte Wette gab. Und zwar die, dass Donald Trump die Zölle gegen Mexiko, Kanada und China, die heute in Kraft treten sollen, wieder „stunden“ wird und man sich schon noch einigen wird, bevor die avisierten 25-Prozent-Zölle gegen die Eurozone Anfang April anstehen. Doch am Montagabend bestätigte er die Zölle, zumindest gegenüber Mexiko und Kanada. Das sorgte an der Wall Street für erheblich fallende Kurse und brachte den Nasdaq 100 wieder genau an den Support, von dem man ihn noch am Freitag (siehe die gestrige Analyse zum Nasdaq 100) mit aller Kraft weggezogen hatte.
In diesem Umfeld bleibt nur noch der „Rüstungs-Hype“. Aber angesichts der massiv gestiegenen Kurse dieser Aktien und der Erkenntnis, dass manches womöglich doch so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde, ist der DAX jetzt absturzgefährdet. Im abendlichen Handel des Montags landete er kurzzeitig wieder im Bereich des vormaligen Hochs bei 20.935 Punkten. Gut möglich also, dass der Aschermittwoch genau ein Vierteljahrhundert später erneut ein Tag der langen Gesichter wird. Wer hier nicht mittel- und langfristig agiert, sollte zumindest überlegen, sich mit einem Stopp unter dem letzten Zwischentief, das am 21. Februar bei 22.226 Punkten ausgebildet wurde, abzusichern.

Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.
Mit einem Margin-Depot über LYNX können Sie einfach auf einen Wertpapierkredit, oft auch als Lombardkredit bezeichnet, zugreifen, indem Sie im Depot befindliche Aktien beleihen und so Ihren persönlichen Handlungsspielraum im Trading erweitern. Dabei profitieren Sie von fairen Zinssätzen. Jetzt informieren: Wertpapierkredit
