Das FBI meldete etwa zweieinhalb Stunden vor US-Handelsende, dass offenbar vor jedem einzelnen der 50 Parlamentssitze der US-Bundesstaaten in dieser Woche bewaffnete Demonstrationen geplant seien. Die Sorge, dass Donald Trump die Büchse der Pandora weit geöffnet hat und keinerlei Interesse daran hat, deren Deckel wieder zu schließen, wächst. Und jeder Investor weiß sehr wohl, dass eine solche Situation, in der Szenen wie die der vergangenen Woche immer öfter auftauchen, unmöglich an der Börse vorbeigehen können.
Dass die ganz großen börsennotierten Unternehmen, die Giganten aus dem Dow Jones, im Fall einer Verstetigung von Unruhen nicht sofort Gewinneinbrüche erleiden, mag schon sein. Aber wenn neben der Sorge hinsichtlich der wirtschaftlichen Perspektive, der Angst vor der zuletzt seitens des Weißen Hauses ignorierten Pandemie auch noch die stete Angst um Haus und Hof und die eigene Unversehrtheit hinzukommt, wird der Konsum das sofort zu spüren bekommen. Und von ihm ausgehend wird diese Situation die Lieferkette entlang kriechen, bis hin zu denen, die Teile und Maschinen für die Zulieferer der großen Unternehmen bereitstellen, seien es Sportartikelhersteller wie Nike, Technologieunternehmen wie Apple oder Einzelhändler wie Walmart. Aber der Dow Jones steigt. Wie kann das angehen?

Gerade die immense Dimension der Risiken löst diese Käufe aus. Sie ist so groß, dass man sie nicht mehr einordnen kann und deswegen einfach auszublenden versucht. Das haben wir schon x-mal erlebt, im Zuge der Dot.Com-Blase, der Subprime-Blase, der sogenannten „Alles-Blase“ vor dem Corona-Crash … und jetzt erneut. Natürlich klappt das Ausblenden nicht mehr, wenn die Lawine erst einmal abgegangen ist. Aber das ist sie noch nicht. Auch deshalb, weil die großen Adressen wie üblich versuchen, die Akteure zu beruhigen, indem sie aktiv kaufen, die Kurse stabil halten und, im Idealfall höher ziehen. Sehen sich Sparer mit vollen, rein Long ausgerichteten Depots zwischen den zwei Stühlen zunehmender Risiken auf der einen und weiter steigenden Kursen auf der anderen Seite, neigen die meisten dazu, sich auf die Entscheidung zu reduzieren: „Ich kann immer noch verkaufen, wenn die anderen verkaufen.“
Die Angst davor, dass jetzt alles in sich zusammenfallen könnte, ausgelöst durch erneute, womöglich deutlich weiter reichende Unruhen, führt dazu, dass die einen, die „Großen“, aus der Angst geboren die Flucht nach vorne antreten und kaufen … und die anderen, die „Kleinen“, den Kopf in den Sand stecken. Und ja, das könnte auch gutgehen. Vorausgesetzt, es gelingt, erneute Gewaltaktionen einzugrenzen und im Idealfall großenteils zu verhindern. Aber ob das gelingt, weiß niemand. Das Risiko, dass die kommenden Tage erneut fatale Bilder bringen, ist alles andere als klein. Und damit auch das Risiko, dass der Dow Jones, der so auffällig mit aller Macht auf Rekordniveau gehalten wird, wie ein defekter Fahrstuhl in die Tiefe saust.
Wie unruhig die Kurse auf diesem Niveau sind, machen die beiden Dojis deutlich, die der Index am Freitag und Montag produziert hat. Viel Volatilität und doch kaum Raumgewinn … für beide Seiten. Und dass das US-Index-Flaggschiff zum Wochenstart das Gros vorbörslicher Verluste wieder aufholte, weil es direkt zu Beginn des regulären Handels um 15:30 Uhr zu einer Kaufwelle kam, die prompt endete, als die Kurse aus dem Gröbsten heraus waren, unterstreicht: Hier kauft die Angst. Die Angst vor bärischen Signalen, die die Lawine lostreten könnten.
Die Sache wird zusätzlich knifflig, weil da einiges an Spielraum vorhanden wäre, den der Index nach unten ausloten könnte. Selbst bis zur Generierung eines mittelfristig relevanten Short-Signals wären um die 2.200 Punkte Spielraum. Er müsste unter die Hochs der Monate September und Oktober bei 28.958/29.200 Punkten rutschen. Und mit einem Seitenblick auf die Verbindungslinie zwischen dem alten Februar 2020-Rekordhoch, den vorgenannten Zwischenhochs und der oberen Begrenzung des riesigen Gaps von Anfang November (im Chart auf Wochenbasis) müsste dieser Bruch deutlich ausfallen. Das hieße: Oberhalb von 28.800 Zählern wäre der Dow noch nicht wirklich bärisch. Auf einem Level von derzeit um die 31.000 Punkte ist das ein Wort.
Daher wäre es für Akteure, die aggressivere, kurzfristigere Long-Positionen halten, zu überlegen, sich an der einigen einigermaßen tauglichen, nahe liegenden Supportlinie in Form der 20-Tage-Linie zu orientieren, wenn es um eine Stop Loss-Absicherung geht. Sie sehen im Chart auf Tagesbasis, dass diese Linie in den vergangenen drei Wochen zweimal kurz unterboten wurde und die Bullen den Index beide Male zum Handelsende wieder auf sicheres Terrain, sprich über diese Linie, gezogen haben. Wenn das schiefgeht und der Dow Jones mindestens 200 Punkte unter dieser aktuell bei 30.380 Punkten verlaufende Linie schließt, wäre das ein erhebliches Warnsignal. Dann hätten die Bullen für alle sichtbar verloren, das kann schon reichen, um in einer Situation so sorgsam unterdrückter Angst die nächste Stufe zu zünden. Die hieße dann Panik. Und dann verkaufen auch die, die derzeit versuchen, die Deiche am Brechen zu hindern!

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