Die 2023er-Aufwärtstrendlinie beim Nasdaq 100 ist gestern gefallen, der Dow Jones schloss etwa 100 Punkte unter seiner 200-Tage-Linie, der S&P 500 brach diese sogar recht deutlich. Das ist für die Bullen ein Problem. Aber die allerwichtigste Unterstützung fiel bereits vorher.
Wenn man sich das Chartbild des marktbreiten US-Index S&P 500 ansieht, kann man mit dem bullischen Lager beinahe mitfühlen: nichts klappt. Erst rutschte der Index sang- und klanglos durch das im Tageschart violett hervorgehobene „Trump Gap“, d.h. durch die am Tag nach der US-Wahl entstandene Aufwärtskurslücke. Dann wurde die 200-Tage-Linie, aktuell bei 5.735 Punkten, im Verlauf der vergangenen Woche mehrfach getestet, zum Wochenschluss einigermaßen gehalten … nur, um am Montag dann doch noch zu brechen. Was zu allem Überfluss dann auch noch die Vollendung des seit November entstandenen Doppeltopps und den Bruch der unter der 200-Tage-Linie eigentlich als „Sprungtuch“ geeigneten Unterstützungszone 5.651/5.697 Punkte nach sich zog.

Wer sich da sagt „schlimmer geht’s nimmer“, könnte recht haben, eine Gegenreaktion wäre jederzeit möglich. Aber sicher ist das nicht, denn wer lange genug an der Börse aktiv ist, weiß: Im Gegenteil ist „schlimmer geht immer“ öfter der Fall, als es einem lieb ist. Die Frage ist, was genau denn auf einmal so dramatisch schiefläuft, dass die US-Aktienindizes an „Fallsucht“ leiden. Ist es die Sorge vor einer wieder deutlich anziehenden Inflation und, wenn es übel kommt, einer zugleich hereinbrechenden Rezession?
Expertenmeinung: Grundsätzlich ja, aber ein Aspekt dabei wirkt besonders verstörend: Die Unterstützung, auf die sich die Bullen in früheren Jahren besonders verlassen konnten, war mitnichten die 200-Tage-Linie, sondern Donald Trump. In seiner ersten Amtszeit war er ja ein begeisterter Prediger in Sachen Aktienmarkt. Neue Hochs würden kommen, man müsse dabei sein, so im Kontext seine immer wieder zu lesenden oder zu hörenden Statements. Dass sich US-Präsidenten in Sachen Aktienmarkt nicht zu äußern pflegen, dieses ungeschriebene Gesetz war ihm damals egal. Das half Indizes wie dem S&P 500, immer wieder die Kurve nach oben zu kriegen, wenn Ängste vor negativen Auswirkungen des damaligen Handelskriegs drohten überhandzunehmen. Heute aber schweigt der US-Präsident. Oder besser: schwieg.
Denn auf die Themen Rezessionsgefahr und schwacher Aktienmarkt am Wochenende angesprochen erklärte Donald Trump, dass man dabei sei, große Dinge zu bewegen, Amerika stärker zu machen und dies nun einmal kurzfristig zu Irritationen führe. Und wenn es um Großes gehe, so Trump sinngemäß, könne man nicht auf den Aktienmarkt schauen.
Was vermutlich nicht zu Unrecht von vielen so ausgelegt wurde, dass der US-Präsident eine Rezession als „Nebenwirkung“ seiner Agenda ebenso in Kauf nehmen dürfte wie eine Baisse am Aktienmarkt, weil er davon überzeugt ist, dass das nur kurzfristige Dellen auf dem richtigen Weg sein würden. Ob man das genauso sieht oder nicht: Kurzfristig ist dem S&P 500 und den anderen wichtigen US-Indizes der vormalige „Promoter“ Trump abhandengekommen. Und das bedeutet:
Diejenigen, die hoffen, dass das nächste „Sprungtuch“ im S&P 500 hält und idealerweise auch stabil genug ist, um einen Aufwärtsschwenk des Index zu ermöglichen, stehen auf recht dünnem Eis. Aber zumindest kurzfristig ist es durchaus denkbar, dass die Zone, auf die es jetzt als Nächstes ankommt, genug Unterstützung für eine kräftige Gegenbewegung bietet. Und dann wird man, je nach Nachrichtenlage, sehen, ob mehr daraus werden kann.

Es geht um die obere Begrenzungszone des im Herbst 2022 etablierten Aufwärtstrendkanals, die wir im Chart auf Wochenbasis sehen. Diese Zone verläuft derzeit zwischen 5.470 und 5.580 Punkten und war am Montag am Tagestief schon „angekratzt“ worden. Denkbar ist es schon, dass bärische Trader in dieser Zone erst einmal ein paar Eindeckungen von Leerverkäufen vornehmen und dies die Kurse stützt. Sicher ist es aber, in dieser Atmosphäre massiver Ernüchterung, keineswegs. Und sollte diese Zone auch noch brechen, wäre der Weg nach unten aus charttechnischer Sicht wieder frei.
Hier einfach mal auf Verdacht einen Long-Trade zu starten, wäre daher ein riskantes Unterfangen. Besser wäre, auf eine überzeugende Rückeroberung dieser aktuell bei 5.735 Zählern verlaufenden 200-Tage-Linie zu warten und auch dann erst über die Long-Seite nachzudenken, wenn der schwächste der „Großen Drei“, der Nasdaq 100, seine 200-Tage-Linie ebenfalls wieder hat überbieten können.
Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.
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