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Grundsätze zum Thema Handelssysteme
Der Wunsch nach Perfektion führt am Ende zum Gegenteil
Halten Sie Ihr System simpel. Je komplizierter es wird, desto mehr können Sie zwar jede kleine Bewegung in der Vergangenheit mit zahllosen Parametern einfangen. Aber da Kursbewegungen nie völlig gleich ablaufen, wird die Quote an Fehlsignalen in der Zukunft umso größer, je intensiver Sie versuchen, mit den bereits gehandelten Kursen als Basis der „Bastelei“ Perfektion zu erreichen. Der x-te Indikator, der x-te gleitende Durchschnitt und eine Flut von „wenn … dann“-Voraussetzungen erschweren es Ihnen nicht nur, dauerhaft den Überblick zu behalten. Sie feilen damit zudem an kleinen Phasen besonderer Kursbewegungen herum, die sich so ohnehin nie wiederholen würden. Solche in einem Handelssystem verbauten „Mikro-Programme“ führen aber dann dazu, dass es bei anderen, besonderen Bewegungen zu völlig abwegigen Signalen kommen kann.
Bleiben Sie auf der „Hauptstraße“
Wenn Sie mit den Parametern technischer Indikatoren experimentieren, etwa die Länge gleitender Durchschnitte als Signalgeber anpassen oder in der Charttechnik nur bestimmte Muster als relevant einstufen, weil diese in einem bestimmten Markt und über einen bestimmten Zeitraum bessere Ergebnisse geliefert haben, sollten Sie eines bedenken:
Die anderen Marktteilnehmer benutzen zwar nicht Ihr spezielles Handelssystem, aber sie benutzen die Bausteine, die Sie dafür einsetzen. Ob es nun ein markttechnischer Indikator wie der MACD ist, ein gleitender Durchschnitt, ein Oszillator oder andere Instrumente, die durchaus verbreitet sind:
Wenn Sie diese Signalgeber so variieren, dass sie über einen bestimmten Zeitraum perfekte Signale generieren, werden sie das alleine deshalb in Zukunft eher nicht tun, weil nur Sie diese „Variante“ einsetzen. Wenn nur Sie, aber sonst niemand, solche Signale sieht … warum sollten andere dann danach handeln, indem sie entsprechend ihres generierten Signals kaufen oder verkaufen? Die anderen können die Signale Ihres persönlichen Handelssystems schließlich nicht einmal sehen! Wenn ungewöhnliche Einstellungen perfekt zu funktionieren scheinen, ist das daher mit großer Wahrscheinlichkeit Zufall. Bleiben Sie daher besser auf der „Hauptstraße“, bei den gängigen Einstellungen, wenn Sie sich Ihr spezielles System zusammenstellen.
Ein gutes System funktioniert immer und überall
Ein gutes, nachhaltig funktionsfähiges System funktioniert immer und überall, d. h., es muss in jedem Asset mittelfristig mehr Gewinn als Verlust abwerfen und auf Tagesbasis ebenso tauglich sein wie auf Wochenbasis oder in einem 15- oder 60-Minuten-Zeitraster. Dann ist es einerseits einfach und andererseits allgemein genug gehalten, um auch dann tauglich zu sein, wenn sich das Kursverhalten in einem Markt gegenüber der Börsenphase, in der Sie das System entwickelt haben, markant verändert. Wobei:
Stellen Sie sich breit auf!
Es wird immer wieder und in jedem Markt, ob bei einer Währung, einem Index oder einem Rohstoff, Phasen geben, in denen Ihr System Verlust macht. Ein Trendfolge-System kann nichts verdienen, wenn sich der Kurs in eine volatile Seitwärtsbewegung begibt. Daran lässt sich nichts ändern. Am Umstand, Verluste einzufahren, aber schon, denn niemand verbietet Ihnen, mit einem Handelssystem, das verschiedenste Märkte handeln könnte, nicht auch genau das zu tun. Erwägen Sie daher, sich breit aufzustellen, indem Sie verschiedene Basiswerte beobachten – es wird selten vorkommen, dass ein Trendfolge-System nicht mindestens in ein paar Märkten richtig gut dabei ist und so Seitwärtstrends in anderen Märkten kompensieren kann.
Zur Frage, ob es nicht möglich wäre, auch in Seitwärtstrends gute Gewinne zu machen, kommen wir übrigens im dritten Teil unserer Serie.
Handelssysteme mit gleitenden Durchschnitten (GDs)
Gleitende Durchschnitte, hier ab sofort der Einfachheit halber als GD abgekürzt, haben als Signalgeber zwei Vorteile: Sie bewegen sich mit dem Kurs mit … und sie werden von vielen Anlegern als Basis für Entscheidungen zum Ein- und Ausstieg bzw. zur Vergrößerung einer Position verwendet. Was gleich eine Voraussetzung nach sich zieht, die Sie bei der Kreation eines Systems, das auf GDs basiert, beachten sollten:
Ein GD, der zwar durch Ausprobieren in einem Markt über einen längeren Zeitraum in der Vergangenheit gute Ergebnisse zu bringen scheint, den aber außer ihnen niemand benutzt, z. B. ein GD über 61 oder 92 Tage, kann auf Dauer nicht funktionieren. Denn ein Handelssystem muss ja an einem Punkt im Kursverlauf ein Signal ausweisen, bei dem damit zu rechnen ist, dass viele andere Akteure daraufhin handeln und auch weiter handeln werden. Und die Linien, auf welche die Mehrheit der Trader achtet, orientieren sich eben – und das gilt auch für computergesteuerte Handelsprogramme – nicht an völlig atypischen Zeitrastern.
Die gängigsten Zeitraster für GDs sind:
20 Tage, 50 Tage, 100 Tage, 200 Tage, für langfristige Betrachtungen auch 1.000 Tage.
Seltener werden der 38-Tage- und der 65-Tage-Durchschnitt verwendet. Interessant dabei ist, dass 50- und 100-Tage-GDs mehr in den USA eingesetzt werden, hierzulande 20-Tage- und 200-Tage-Durchschnitt dominieren. Das sollte man berücksichtigen, wenn man US-Aktien mit in sein Trading integrieren will.
Was ist ein GD überhaupt?
Das ist schnell erklärt: Es handelt sich z. B. beim 20-Tage-GD um den Durchschnittskurs der Schlusskurse der letzten 20 Börsentage. Wobei es zwei übliche Variationen gibt, den einfachen und den gewichteten GD.
Beim einfachen GD (engl. SMA für Simple Moving Average) addiert man einfach die Schlusskurse der letzten 20 Handelstage und teilt sie durch 20.
Beim gewichteten GD (engl. EMA für Exponential Moving Average) erhalten die nächstgelegenen Tage ein höheres Gewicht bei der Berechnung, einfach, weil sie aktueller und damit wichtiger sind. Wobei man das natürlich nicht selbst tun muss – das Berechnen würde die über LYNX angebotene Handelsplattform für Sie erledigen.
Beispiel 1: Ein einfaches Trendfolgesystem mit GD 200 und 50
Eine mögliche Struktur für ein Handelssystem auf Basis von gleitenden Durchschnitten wäre ein Trendfolgesystem, das einen längeren GD als Basis für die Grundausrichtung und einen schnelleren GD als Signalgeber verwendet. Wir zeigen Ihnen hier am Beispiel des marktbreiten US-Aktienindex S&P 500 mit einem 200-Tage- und einem 100-Tage-GD die Funktionsweise:

Die 200-Tage-Linie (rot) zeigt den übergeordneten Trend. Solange der Index über der 200-Tage-Linie bleibt, tradet man nur auf der Long-Seite, bleibt also konsequent der übergeordneten Trendrichtung treu. Unterhalb des 200-Tage-GD würde man entsprechend nur Short-Trades angehen. Für die konkreten Ein- und Ausstiegssignale wäre der 100-Tage-GD (blau) zuständig, der wie oben erwähnt in den USA ein gängiger GD ist. Fällt der Kurs unter den 100-Tage-GD, wird die Long-Position glattgestellt (das Minuszeichen im Chart). Steigt er wieder darüber, steigt man auf der Long-Seite wieder ein (blaue Pfeile). Möglich wäre auch, diese Strategie aggressiver zu gestalten, indem man bei erfolgreichen Tests der 50-Tage-Linie Long zukauft.
Beispiel 2: Ein Crossover-System mit GD 50 und 100
Eine andere Möglichkeit ist es, mit einem Crossover-System zu arbeiten, das dann Signale generiert, wenn sich die beiden eingesetzten GDs überkreuzen.

Funktionsweise: Bei dieser Strategie wäre man immer entweder Long oder Short investiert. Wenn der schnellere GD über den langsameren läuft, in unserem Beispiel der 50-Tage-GD über den 100-Tage-GD beim S&P 500, generiert das ein Long-Signal. Fällt der 50-Tage-GD unter den 100-Tage-GD, würde man Short gehen.
Wie gesagt: Probieren Sie am besten einfach aus, was Ihnen in Bezug auf die Art, wie Sie an der Börse handeln möchten, am besten liegt. Man könnte diese Systeme in den verschiedensten Märkten testen, die Länge der GDs variieren, drei statt zwei GDs als Signalbasis heranziehen und … und … und. Und man könnte diese Systeme einschließlich von antizyklischen Systemen auch alle miteinander frei kombinieren – dazu aber mehr im dritten Teil!
