Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 17.-23.11.2025

Kursziele gewinnen immer mehr an Einfluss. Ist das gut so?

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Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Je drastischer ein von Analysten neu vergebenes Kursziel ausfällt, desto heftiger ist meist die Reaktion der entsprechenden Aktie. Das scheint mittlerweile normal zu sein. Aber das sollte es, eigentlich, nicht. Wie bedeutsam sollten Analysten-Kursziele für die Kurse sein?

Man hat mittlerweile den Eindruck, ein neues, deutlich über oder unter dem aktuellen Kurs einer Aktie liegendes Kursziel sei eine Art Wegweiser, dem man folgen sollte. Wenn wir uns im Folgenden Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit ansehen, bei denen drastisch veränderte Ziele den Kurs erheblich bewegt haben, könnte man denken, immer mehr Anleger hätten an der Börse aktuell außer solchen „Hausnummern“, die da plötzlich im Raum stehen, keine anderen Orientierungen, an denen sie ihre Entscheidungen ausrichten. Und ich fürchte, das ist tatsächlich so.

„Kursziel-Hörigkeit“ ist nicht die Ursache des Problems, sondern nur ein Symptom

Die Zahl noch relativ neuer und damit unerfahrener Anleger am Aktienmarkt, die auch keinerlei Grund sehen, sich das eigentlich nötige Basiswissen eines Investors anzueignen, steigt. Ich merke das in Gesprächen mit „Neuanlegern“ sehr deutlich, man sieht es aber auch am Verhalten der Märkte, die immer mehr „ereignisgetrieben“ wirken. Alle reagieren scheinbar unlimitiert gleichzeitig, dann passiert erst einmal kaum noch was, weil man auf den nächsten „Newsflash“ wartet, der die Masse in Marsch setzt. Ist das ein ernstes Problem?

Nur für diejenigen, die das nicht realisieren. Das Verhalten der Märkte ändert sich nun einmal. Zwar bleibt die Konstante in Form der ewigen Emotionalität und damit Unberechenbarkeit der die Kurse „machenden“ Marktteilnehmer immer gleich (sonst wär‘s ja auch keine Konstante, gell). Aber mal wirkt sie mehr auf die Kurse, mal weniger. Aktuell ist „mehr“ angesagt.

Wenn Sie vor einer komplexen Maschine stehen, die sie unbedingt benutzen wollen, aber eigentlich keinen blassen Schimmer haben, wozu all die Knöpfe da dran eigentlich gut sind, dann neigen Sie eben dazu, dem zu glauben, der glaubwürdig daherkommt und Ihnen sagt: Drück da mal drauf, das passt. Das ist nicht immer schlau. Mittelfristig sogar eher nie. Aber extreme Reaktionen auf extreme Kursziele sind das Symptom, nicht die Ursache. Und um es gleich vorwegzunehmen: Die Analysten selbst sind (fast immer) auch nicht die Ursache.

Drei Dinge, die man in Bezug auf Kursziele beachten sollte

Denn was diese Leute, die bestimmte Aktien seitens ihrer Arbeitgeber zu überwachen und einzuordnen haben, tun, ist mehr, als einfach ein Kursziel herauszugeben. Das wird auch begründet. Und wer sich anschaut, was einen Analysten dazu bewegt, ein neues Kursziel abzugeben, würde auch sehen, welche Annahmen dem zugrunde liegen und um welchen Zeithorizont es da geht. Wer das bleiben lässt und einfach nur die medial herausposaunte, extreme Zahl handelt, stellt sich selbst aufs Glatteis, nicht derjenige, der sie auf Basis einer Analyse ermittelt hat. Drei Aspekte muss man einfach immer im Hinterkopf haben:

Börse aktuell: Entwicklung SMA Solar Aktie von Juli bis November 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung SMA Solar Aktie von Juli bis November 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Erstens: Zu einem Kursziel gehört eine Argumentation. Bemüht man sich, an diese heranzukommen, kann man die Sache einordnen und selbst beurteilen, ob man da etwas liest, das die eigene Meinung zur betreffenden Aktie verändert.

Zweitens: Kursziele sind ein Blick nach vorne. Da die Zukunft die Eigenschaft hat, nicht sicher bestimmbar zu sein, müssen die Analysten mit Annahmen arbeiten, z.B. mit einem auf Basis dessen, was man heute an Fakten hat, prognostizierten Umsatz-, Marge- und Gewinnwachstum. Genauso, wie Wirtschaftsweise andauernd ihre Wachstumsprognosen ändern, weil sich die Lage nicht so entwickelt wie in den Modellrechnungen vermutet, müssten auch die Analysten ihre Ziele andauernd anpassen. Das passiert aber nicht, neue Bewertungen einer Aktie kommen zwar manchmal bei einigen Analysten alle paar Wochen, es können aber auch Monate zwischen dem vorherigen und dem neuen Ziel liegen. Und dann kann eine Kursziel-Anpassung eben auch dramatisch ausfallen, wenn sich seither viel getan hat. Hinzu kommt: Analysten mögen zwar eine Menge Fachwissen haben, aber Hellsehen gehört eben auch bei ihnen nicht zur Stellenbeschreibung. Was zum dritten Punkt überleitet:

Börse aktuell: Entwicklung Siemens Energy Aktie von Juli bis November 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Siemens Energy Aktie von Juli bis November 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Drittens: Alter und Frequenz der Kursziel-Anpassungen sind entscheidende Hinweise darauf, wie man selbst ein massiv angehobenes oder gesenktes Kursziel einordnen sollte. Wenn man nachforscht und z.B. im Fall des immensen Kursziel-Sprungs von Jefferies für die Siemens Energy-Aktie sieht (vorstehender Chart), dass das alte Kursziel vom 26. März stammt, wird klar, dass es nicht eine unglaublich positive Wandlung im Unternehmen war, die den Analysten dazu brachte, das Kursziel um flotte 143 Prozent von 55 auf 143 Euro anzuheben, sondern der Umstand, dass die letzte Einstufung eben über sieben Monate zurücklag!

Das mit der Unfähigkeit, heute zu wissen, was übermorgen sein wird, erleben wir ja auch immer dann, wenn ein Unternehmen mit einer herben Gewinnwarnung um die Ecke kommt, die man so nicht hatte vorhersehen können. Beispiel hierfür im dritten Chart: die Gerresheimer-Aktie. Auch die Analysten schleichen nicht nachts durch die Verwaltungsbüros der Unternehmen und hacken sich in deren Geschäftszahlen. In solchen Momenten (auch im Fall weit überbotener Erwartungen) stehen die Experten genauso überrascht da wie wir alle. Man hatte Annahmen, man machte Prognosen, aber wenn etwas völlig Unerwartetes auftaucht, sind all diese Rechenmodelle, die am Ende ein Kursziel ausspucken, eben Makulatur. Dann müssen die Analysten mit ihren Kurszielen den Ereignissen genauso hinterherlaufen wie die Anleger. Fazit:

Börse aktuell: Entwicklung Gerresheimer Aktie von April bis November 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Gerresheimer Aktie von April bis November 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Wer das Ziel kennt, den Weg dorthin aber nicht, hat ein Problem

Kursziele sind keine Aufforderung, eine Aktie umgehend an dieses Ziel zu kaufen oder zu verkaufen. Kursziele sind die Quintessenz einer Analyse von Fachleuten, die auf oft ganz unterschiedlichen Annahmen und Sichtweisen der kommenden Entwicklung fußen (was auch erklärt, warum z.B. die Kursziel-Spanne für Aktien wie Tesla extrem breit ist, derzeit liegt das niedrigste Ziel bei 120, das höchste bei 600 US-Dollar, die Aktie notierte am Freitagabend bei 404 US-Dollar). Wer sich rein auf eine Kursziel-Hausnummer stützt und handelt, ohne zu wissen (bzw. wissen zu wollen), wie diese zustande kam, lebt als Anleger gefährlich. Vor allem, wenn man sich bei den Kurszielen einfach die Rosinen herauspickt, indem man mit einer bullischen Positionierung einfach die höchsten zwei, drei Ziele als Richtschnur sieht und negative Einstufungen und Kursziele ignoriert.

Der Weg zum Ziel, den der Analyst ging, ist von entscheidender Bedeutung. Ohne ihn ist ein Kursziel nur eine leere Zahl, da möge man sich an den Mathe-Unterricht erinnern, wenn man bei einer Lösung einfach geraten hat und der Lehrer das nicht anerkannte, weil der Lösungsweg fehlte und so klar wurde: Der hatte keine Ahnung, worum es eigentlich ging.

Und abschließend sollte man auch noch einmal hervorheben, dass ein Ziel eben ein Ziel ist und keine Garantie dafür, dass ein Kurs dieses auch wirklich erreicht, schon gar nicht „stante pede“!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Der Inhalt dieses Artikels wurde erstellt am 16.11.2025 um 22:20 Uhr. Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.
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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.


Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

Die aktuelle Entwicklung und der aktuelle Trend an der Börse werden maßgeblich von Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturdaten und Neuigkeiten von börsennotierten Unternehmen bestimmt. Diese wirken sich nicht nur auf Aktienkurse aus, sondern auch auf andere Assetklassen wie börsengehandelte Fonds, Optionen und Futures. Des Weiteren werden durch Börsennachrichten auch die Anleihemärkte und Rohstoffmärkte in Bewegung versetzt. Daher haben wir auch die Zinsen, den Ölpreis und Goldpreis immer im Blick.

Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Der Inhalt dieses Artikels wurde erstellt am 09.11.2025 um 20:30 Uhr. Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Derzeit wird viel darüber diskutiert, ob wir uns am Aktienmarkt in Blasen befinden. Zum einen in einer KI-Blase, zum anderen in einer Rüstungs-Blase. Dabei werden – zu Recht – die Risiken hervorgehoben, mit denen man sich konfrontiert sieht, wenn eine solche Blase platzt. Was mir bei dieser Diskussion fehlt, sind zwei Dinge: Zum einen die Chancen, die Blasen mit sich bringen. Und zum anderen eine klare Definition, worum es da eigentlich wirklich geht.

Man kann es sich in Bezug auf die Erklärung einer Blase natürlich einfach machen: Eine Blase ist eine Börsenphase, in welcher der Gesamtmarkt, einzelne Branchen oder Einzelaktien ungewöhnlich schnell und weit steigen, dabei komplett überziehen und deswegen dann irgendwann genauso schnell und weit wieder fallen. Punkt.

Aber das ist nur das, was man sieht, wenn man Blasen und ihr Platzen in der Vergangenheit betrachtet. Das erklärt weder, warum sie entstehen, noch, warum sie dann platzen. Und nur wenn man sich damit auseinandersetzt, versteht man, was da passiert … und wie man damit umgehen könnte.

Eine Börsen-Blase zeigt sich in den Kursen. Aber sie entsteht woanders: in den Köpfen

In der Börsengeschichte finden sich zahlreiche Blasen und, wie der folgende Chart zeigt, keineswegs nur am Aktienmarkt. Wir reden hier zwar nicht über ein Phänomen, das sich mehrmals jedes Jahr irgendwo zeigt. Aber es taucht mit verblüffender Stetigkeit auf, obwohl jeder Anleger, sofern er sich ein wenig umtun würde, sehen könnte: So etwas geht am Ende schief. Wieso passiert es also immer und immer wieder?

Weil sich a) immer weniger Anleger wirklich um Fachwissen scheren und sich schon mal gar nicht mit der Börsengeschichte befassen, weil sie glauben, es geht doch auch prima ohne. Was so lange stimmt, bis die Achterbahn in die andere Richtung fährt. Und weil hier b) nicht der Verstand den Taktstock führt, sondern die Emotionen. Und Emotionen sind äußerst beratungsresistent, wie die Erfahrung lehrt.

Börse aktuell: Entwicklung Rohölpreis von 2006 bis 2009 - Rohöl-Blase | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Rohölpreis von 2006 bis 2009 – Rohöl-Blase | Quelle: marketmaker pp4

Ob wir uns aktuell die Entwicklung von KI- oder Rüstungsaktien ansehen oder zurückgehen bis zur „South Sea Bubble“ in England Anfang des 18. Jahrhunderts: Nie gab es zwingende, rationale Gründe für die extremen Spekulationswellen. Es war immer die Kombination aus Gier und Ahnungslosigkeit, die dazu führte. Man kennt sich zwar mit der Materie nicht aus (und, wenn es schlimm kommt, nicht mal mit der Börse), sieht aber, dass da immer mehr immer schneller immer größeres Geld einstreichen, und will mit von der Partie sein. Es ist die Sogwirkung des schnellen Geldes, die eine Blase entstehen lässt, sonst nichts. Was auch bedeutet:

Eine Spekulationsblase erfassen Sie nicht mit Fakten

Mit rationalen Ansätzen wie der Bewertung einzelner Aktien oder eines Index, mit einem genauen Blick hinter die Kulissen von Bilanzen oder intensivem Nachdenken über die Perspektive einzelner, durchgehender Hausse-Pferde kommen Sie in den Phasen einer Blase (Entstehung und Platzen gleichermaßen) nicht weit. Einfach, weil diejenigen, die in der Herde der Gierigen mitlaufen, es auch nicht tun. Sie kaufen, solange es nach oben geht, und pflegen, in den Phasen, in denen der „Big Bang“ nahe ist, nicht einmal mehr Rücksetzer als Risiko, sondern nur noch als Zukaufchance anzusehen. Das ist zwar ein dramatisch gefährliches Szenario. Aber nur für diejenigen, die sich dessen nicht bewusst sind.

Wer sich jedoch darüber im Klaren ist, dass wir es in Phasen einer Spekulationsblase mit emotionsgetriebenen, starken Schüben in beide Richtungen zu tun haben und nicht mit einer sinnvollen, auf realistischen Daten und Erwartungen basierenden Reflexion der tatsächlichen Lage, kann das Tempo einer solchen Blase durchaus nutzen, ohne dabei nicht eingrenzbaren Risiken ausgesetzt zu sein … sofern man vier Dinge beachtet:

Drei Dinge braucht der Trader, wenn es um Blasen geht

Erstens: Man sollte nur mit einem Kapitaleinsatz antreten, der nicht das Gesamtdepot oder gar die eigenen Ersparnisse insgesamt gefährdet.

Zweitens: Es gilt, konsequentes Risikomanagement zu betreiben, indem man immer mal wieder in zu heiße Phasen hinein Gewinne mitnimmt, Stop Loss-Absicherungen nutzt und bei scharfen Rücksetzern nicht blind ins fallende Messer greift, sondern wartet, bis die Kurse erneut stabil in die Trendrichtung laufen.

Drittens: Man sollte sich von jeglichen „Marktmeinungen“, umgehenden Gerüchten, wüsten Kurszielen etc. fernhalten und nur den Kursen selbst folgen, um zu verhindern, doch von Gier in der Haussephase und Angst bis zu Panik nach dem Platzen der Blase beeinflusst zu werden.

Viertens: Man sollte die Kunst des „Wegbleibens“ beherrschen und im Zweifel das Geld vom Tisch nehmen, wenn man trotz aller Besonnenheit und Vorsicht den Eindruck bekommt, dass man die Kursbewegungen nicht mehr beherrschen kann.

Börse aktuell: Entwicklung der Aktien von AMD, Palantir und Nvidia im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Aktien von AMD, Palantir und Nvidia im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Wer den Kopf frei hat und eine solche Phase nicht zu einer persönlichen Sache macht, sondern im Gegenteil versteht, dass irrationale Aktionen anderer die Kurse zwar beschleunigen, grundsätzlich aber alles ist wie immer … nur eben mit mehr Tempo und Reichweite … muss sich auch vor dem Tag X nicht fürchten, an dem die Blase platzt. Weil dann die Phase beginnt, in der man eben emotionslos und in aller Ruhe auf die Short-Seite wechselt, ansonsten aber alles genauso macht wie zuvor auf der Long-Seite.

Börse aktuell: Die Symptome einer Blase haben wir … aber das alleine sagt nichts aus

Wer den Kopf frei hat, muss und sollte sich auch keine Gedanken darüber machen, ob die Entwicklung im Bereich KI und Rüstung … oder womöglich auch bei den Edelmetallen … bereits wirklich eine Blase ist.

Wenn ich Aussagen lese, dass es sich hier zwar vielleicht um ein „Bläschen“ handeln könnte, das in diesem Fall aber noch meilenweit davor stünde, gefährlich zu werden oder gar zu platzen, denke ich an „Opium fürs Volk“. Entweder sollen solche Sprüche die Zocker gezielt weiter antreiben oder diejenigen, die sie vom Stapel lassen, haben die Börse nicht verstanden. Denn etwas, das in den Köpfen geboren und durch Emotionen angetrieben wird, kennt keinen vorhersehbaren Gipfel. Also kann auch niemand seriös abschätzen, wie nahe eine Blase schon an ihr Hoch herangelaufen ist.

Selbst Warnsignale in Form zunehmender Volatilität, plötzlicher, nicht auf neuen Fakten basierender Abverkäufe und wilder Gegenbewegungen nach oben sagen nichts darüber aus, wann genau und auf welchem Niveau eine Blase platzen wird. Was wir gerade bei einigen KI-Aktien oder auch einigen Rüstungstiteln sehen, sind Warnsignale, keine Frage. Aber wenn man zurückgeht ins Frühjahr 2000, als die Internet- oder „Dot.Com“-Blase platzte, siehe den folgenden Chart, sehen wir:

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 1999 bis 2000 - Dot.Com-Blase | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 von 1999 bis 2000 – Dot.Com-Blase | Quelle: marketmaker pp4

Dass man bei Blasen nichts vorhersehen kann, ist nicht schlimm … solange man es weiß!

Damals war absolut nicht zu erkennen, dass der Abverkauf Ende März 2000 derjenige war, auf den kein neues Hoch mehr folgen würde. Teuer bzw. zu teuer bewertet waren die damaligen Zugpferde der Hausse schon Monate zuvor, das bremste die Käufer nicht. Irrational, weil durch Phantasien befeuert, die jegliches „ja, aber“ einfach ausblendeten, war die damalige Hausse ebenso.

Extreme Bewertungslevels, die gewaltige Gewinne in der Zukunft vorwegnehmen, ohne zu wissen, welche Unternehmen wie viel von dem, was gerade an Geld in die KI investiert wird, wiedersehen bzw. wer am Ende wirklich daran verdient, sind also nur ein Signal dafür, dass wir uns in einer Spekulationsblase befinden. Aber sie geben nicht den Hauch eines Hinweises, wann sie platzt. Daher ist der meiner Ansicht nach beste Weg, damit umzugehen, entweder, sich von solchen Bereichen bewusst fernzuhalten, oder diese Welle zwar mit zu surfen, das aber ohne Gier und Angst, sondern dafür mit der emotionslosen Konsequenz, die gute Trader auszeichnet!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Der Inhalt dieses Artikels wurde erstellt am 02.11.2025 um 18:25 Uhr. Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Exchange Traded Funds, kurz ETFs, sind ein immens praktisches Tool für Privatanleger. Mit wenigen Mausklicks hat man einen ganzen Index, eine Branche oder eine Länder-Region im Depot, zahlt nur geringe Gebühren und kann jederzeit problemlos einsteigen, zukaufen oder aussteigen: perfekt! Aber ETFs verändern auch die Struktur des Marktes. Und das birgt gewisse Risiken. Worum geht es dabei?

Bevor der Siegeszug der ETFs begann, gab es für Anleger letztlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie eigneten sich das nötige Grundwissen an, um sich selbst ein Portfolio zusammenzustellen (oder taten es ohne Ahnung auf Basis von irgendwelchen Tipps, was gerne mal fatal endet) oder sie nutzten das Angebot der Fonds. Letztere haben den Vorteil, dass man dort immer einen Korb aus Aktien, Anleihen, Rohstoffe u.a. erwirbt.

Das bedeutet, dass Chancen und Risiken gestreut sind, so, als hätte man sich sein eigenes Portfolio zusammengestellt. Aber bei einem Fonds kauft man dazu nur ein Wertpapier, hat also weit weniger Aufwand. Ein großer Vorteil, zumal Fondsanteile in der Regel so erschwinglich ist, dass man imstande ist, mehrere verschiedene Fonds ins Depot zu legen und auf diese Weise eine noch breitere Streuung, auch über verschiedene Assetklassen hinweg, zu erreichen. Zugleich lässt es sich globaler agieren, indem man z.B. verschiedene Aktienfonds mit europäischen, asiatischen und/oder US-amerikanischen Aktien im Depot hat. Aber dann tauchten die ETFs auf … und durch diese Konkurrenz wurden zwei Nachteile von klassischen Fonds sichtbar:

Warum es Fonds gegenüber ETFs schwerer haben

Zum einen sind die Gebühren bei Fonds fast immer deutlich höher. Und ob man bei einem ETF für ein Jahr 0,2 oder bei einem Fonds 2,0 Prozent Gebühr bezahlt, ist schon für ein Jahr eine große Differenz. Aber über einen längeren Zeitraum hinweg – und auf den kommt es den meisten Anlagern ja an – ist der Unterschied schlicht dramatisch.

Zum anderen gelingt es den wenigsten Fonds, besser abzuschneiden als der Markt, den sie abbilden. Bei ETFs hingegen ist die Performance nahezu deckungsgleich mit der des abgebildeten Sektors.

Börse aktuell: Entwicklung DAX, DAX-ETFs und DAX Aktienfonds von 2020 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX, DAX-ETFs und DAX Aktienfonds von 2020 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Beides hat letzten Endes ein und denselben Grund: Bei Fonds sind zahlreiche Menschen aktiv am Werk. Und das verursacht eben Kosten. Und obwohl es sich da meist um versierte Experten handelt, haben sie ein Handicap: Sie können nicht hellsehen. Was sie aber idealerweise können sollten, wenn sie z.B. mit einem Fonds auf den DAX den Index schlagen wollen. Weil?

Weil Sie und ich, aber eben auch Fondsmanager, nie sicher wissen können, wo genau ein Tief oder ein Hoch liegen wird. Um den Markt zu schlagen, müsste man aber genau das wissen, denn wenn man unmittelbar am Hoch massiv Bestände abbaut und direkt am Tief alles, was an Barreserve da ist, investiert (und dazu noch genau in die Aktien z.B. des DAX, die danach am stärksten steigen), würde man die Performance des Basisindex, aber auch z.B. von einem Korb aus speziellen Tech-Aktien, Edelmetallen oder Aktien einer Region, hinter sich lassen. Aber das weiß man eben nie vorher. Und daraus ergibt sich ein weiteres Problem:

Eine Barreserve bedeutet, dass nicht das gesamte Kapital, das in einem Fonds liegt, investiert ist. Es bleibt immer eine „eiserne Reserve“, um auf besondere Situationen reagieren zu können. Aber so sinnvoll und klug das grundsätzlich auch ist: Dieses Geld arbeitet eben nicht mit und bremst die Performance.

Börse aktuell: Entwicklung der Barreserven von US-Fonds in Prozent von 1985 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Barreserven von US-Fonds in Prozent von 1985 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Doch was vielen in Phasen, in denen vor allem der Aktienmarkt wie an der Schnur gezogen steigt, womöglich nicht bewusst ist: Genau diese Nachteile können in bestimmten Situationen auch Vorteile sein!

Fonds „denken“. ETFs nicht.

Fonds „denken“ und reagieren somit auf Veränderungen der Lage. Die Fondsmanager sehen sich die Situation an, denken über die mögliche, kommende Entwicklung nach und entscheiden auf Basis ihrer langen Erfahrung, wie genau sie ihr Fonds-Portfolio ggf. umstrukturieren, Gewichtungen verändern oder mehr oder weniger Barreserve vorhalten. Bei ETFs läuft das anders.

ETFs reagieren unmittelbar auf das, was die Anleger tun. Denn sie bilden ja den Basisindex genauestens nach, egal, ob es da um Branchen, Regionen oder Assetklassen geht. Das bedeutet: Ein ETF kauft mit zufließendem Kapital genau in der Gewichtung der einzelnen DAX-Aktien diese Aktien zu. Damit ist sichergestellt, dass der Index engmaschig nachgebildet wird. Aber das bedeutet auch: Keine Barreserve, keine Flexibilität. Kommt Geld rein, muss das investiert werden. Was als Nebeneffekt dazu führt, dass hoch gewichtete Aktien mehr Kapital „abbekommen“ und dementsprechend noch mehr steigen als die niedrig gewichteten Werte und sich so bestehende Scheren zwischen stak und schwach laufenden Index-Aktien noch vergrößern können. Aber vor allem eines muss man dabei erkennen:

Ein ETF denkt eben nicht, sondern reagiert nur. Nicht auf Analysen und Überlegungen langjährig erfahrener Analysten und Volkswirte, sondern er reagiert ausschließlich auf den Zu- und Abfluss von Geld der Anleger, die eben mehrheitlich nicht erfahren und fachkundig sind. Der Effekt:

ETFs intensivieren Trends. Da wenig bis gar nicht erfahrene Anleger dazu neigen, die Perspektive kommender Kursentwicklungen auf Basis dessen abzuschätzen, was passiert ist bzw. gerade passiert … nach dem Motto „was steigt, steigt weiter“ … werden auf diese Weise Trends gerne mal verlängert, intensiviert und koppeln sich von den eigentlich trendbestimmenden Rahmenbedingungen ab. Denn mit denen kennen sich viele Anleger nicht aus. Sie können mit Wechselwirkungen zwischen Auftragseingang, Margen und Aktienkurs nichts anfangen, sie sehen sich Bewertungsfaktoren wie KGV, KUV oder KCV nicht an, weil sie gar nicht ahnen, dass es sie gibt. Und da ETFs einfach zu handeln sind, niedrige Gebühren aufweisen und man eben nichts wissen muss, um über diese Tools mitmischen zu können, ist der Anteil der Unerfahrenen dort tendenziell besonders hoch. Nun ließe sich sagen: Na und? Dann ist das eben so, wo liegt das Problem?

Börse aktuell: Entwicklung DAX, DAX-ETFs und DAX Aktienfonds im Jahr 2008 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX, DAX-ETFs und DAX Aktienfonds im Jahr 2008 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Das Problem würde dann auftauchen, wenn es mal länger und deutlicher in die falsche Richtung gehen sollte. Dass die Hausse die Hausse nährt, weil viele sich an den Kursen selbst als Barometer orientieren und dabei nicht merken, dass man dadurch den Effekt des Handelns der Masse als Prüfstein dafür hernimmt, ob ein solides Umfeld für weitere Käufe existiert, obwohl die steigenden Kurse dieses Umfeld ja gerade ignorieren, das fällt den wenigsten auf. Und das bedeutet: Sehr viele wähnen sich völlig sicher und würden daher aus allen Wolken fallen, wenn die Kurse plötzlich nicht mehr steigen, sondern wegrutschen. Und je heißer die Hausse-Suppe wird, desto weniger braucht es, damit sie überkocht.

Das kann also passieren. Es passierte im Jahr 2000. Es passierte 2008. Und auch damals sagten sich fast alle als Reaktion auf Warnungen derer, die sehr wohl erkannten, dass es brenzlig wird: „Aber diesmal ist das doch etwas ganz anderes“. Das war es nicht. Und ist es nie, auch diesmal nicht.

Es soll keine apokalyptische Prognose eines Crashs sein, wenn ich diese Aspekte hier so ausbreite. Es soll nur eines klar machen: Wenn sehr viele unerfahrene Anleger mit ETFs etwas gekauft haben, das sich problemlos kaufen und verkaufen lässt … wenn sie glauben, da geht es nur aufwärts und das auf einmal nicht mehr so ist … dann haben wir die gleiche, trendintensivierende Eigenschaft der ETFs auf der Gegenseite.

Verkäufe drücken auf die Kurse. Da die Kurse allein das Barometer vieler sind, ob die Lage gut ist oder nicht, löst das weitere Verkäufe aus. Und anders als Fonds, die dann genau abwägen können, was genau sie bei abfließendem Geld abstoßen und ob sie die Barreserve nutzen oder vergrößern, haben ETFs mangels ihrer Möglichkeit, individuell zu entscheiden und Barbestände zu nutzen, um Mittelabflüsse abzufedern, keine Chance, etwas anderes zu tun als diejenigen es vorgeben, die gerade aus allen Wolken fallen: Sie müssen verkaufen.

Fazit: Wer die Kehrseite kennt, ist gerüstet, wenn sie sich bemerkbar machen sollte

ETFs haben vielen einen leichten Zugang zu den Börsen ermöglicht. Sie überzeugen durch Transparenz, die saubere Nachbildung der Performance der Basiswerte, die niedrigen Gebühren und ihre problemlose Handelbarkeit, beim An- ebenso wie beim Verkauf, aber:

Der Umstand, dass sie automatisch und ohne Zeitverzug das Geld, das Anleger abziehen wollen, durch Verkäufe der Bestände beschaffen müssen, bedeutet, dass steigende Unruhe und entsprechende Gewinnmitnahmen im wachsenden Kreis der unerfahrenen Anleger eine Korrektur intensivieren können. Und das auf der Zeit- ebenso wie auf der Größenachse.

Börse aktuell: Entwicklung DAX, DAX-ETFs und DAX Aktienfonds im Jahr 2020 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX, DAX-ETFs und DAX Aktienfonds im Jahr 2020 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Dass Phasen der Unruhe seltener sind als optimistische Phasen, ist richtig. Aber wenn Angst aufkommt, ist Panik manchmal nicht weit, daher sind sie meist intensiver. Und nur, wer sich dessen bewusst ist, reagiert richtig, wenn es dann mal wieder so kommt.

Denn dass eine solche Situation irgendwann wiederkehren wird, davon sollte man besser ausgehen. Diejenigen, die diesen Gedanken 2000 oder 2008 weit von sich wiesen, haben ihre Ignoranz damals teuer bezahlt. Und gerade, weil das schon so lange her ist und daher viele eine solche Phase nie selbst erlebt haben, ist das Risiko, dass schnelle, weitreichende Abverkäufe erneut auftreten und nicht wie 2020 sofort wieder aufgeholt werden, groß genug, um auch bei den ETFs im Depot über Stop Loss-Absicherungen nachzudenken!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Der Inhalt dieses Artikels wurde erstellt am 26.10.2025 um 22:52 Uhr. Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Diese Börsenwoche hat alles, was es für einen Börsenkrimi braucht: Die Entscheidungen von EZB und US-Notenbank, den Monatsultimo und, vor allem, das Stand jetzt für den Donnerstag erwartete Zusammentreffen von Xi Jinping und Donald Trump. Zeit, einen Blick auf Indikationen zu werfen, die Hinweise darauf liefern, wie es um den Aktienmarkt hinter der Oberfläche der reinen Kurse bestellt ist.

Am Sonntag kam die Meldung, dass man bei den Gesprächen der Verhandler Chinas und der USA eine „vorläufige Einigung“ erzielt habe, die nun interne Genehmigungsverfahren durchlaufen müsste. Das führte im dünnen Wochenend-Handel zu kräftigen Kursgewinnen am Aktienmarkt, der wohl heute Früh dann auch fester starten wird. Aber heißt das jetzt: the sky ist he limit“?

Das heißt es nicht. Zu vermuten wäre, dass diejenigen Anleger, die ohnehin seit Jahren immer risikobereiter/leichtsinniger agieren, jetzt alle Hemmungen fallen lassen. Aber solche komplett „enthemmten“ Märkte sind normalerweise auch der letzte Akt von dem Ende des Schauspiels. Wobei niemand abschätzen könnte, wann genau und auf welchem Kursniveau das endet. Dazu:

Crashgefahr? Die meisten wiegeln ab, aber …

Der vor allem in den USA sehr bekannte Finanzjournalist und CNBC-Moderator Andrew Ross Sorkin hat vor etwa zwei Wochen einen Börsencrash als ziemlich sicher angesehen, konnte aber weder dessen Zeitpunkt noch dessen Ausmaß angeben. Solche Warnungen gab es auch schon vereinzelt vor 1929. Und es passiert diesmal dasselbe wie damals. Ich lese gerade noch einmal „Der große Crash 1929“ von John Galbraith und konnte mir dadurch noch einmal in Erinnerung rufen, wie es damals lief:

Man unterstellte den Warnern persönliches Interesse und winkte ab, dass, wer warnt und dann nicht einmal weiß, wann genau was passieren wird, offenbar auch keine Ahnung hat. Keine Ahnung hatten in Wahrheit die, die abwiegelten … oder sie hatten persönliche Interessen. Denn niemand konnte damals vorhersehen, wann die emotional befeuerte Kettenreaktion beginnen würde, weil alle „Mitspieler“, die Anleger, ja schließlich auch nicht wussten, welche emotionalen Regungen sie ein oder zwei Tage später zu welchen Entscheidungen bringen würden.

Das ist heute genauso: Man unterstellt Sorkin, dass er das nur gesagt hat, weil er sein gerade erschienenes Buch über den 1929er-Crash promoten will (ist zu mir unterwegs, ich werde in Kürze an dieser Stelle berichten) und dass er keine Ahnung hat, wenn er nicht vorhersagen kann, wann auf welchem Kursniveau der Crash beginnt und wo er dann wann endet. Man kann es nur wiederholen: Keine Ahnung haben die, die abwiegeln … oder sie haben persönliche Interessen. Crashs entstehen vor allem, gerade weil man nicht wissen kann, wann sie kommen.

Kursverhalten wie vor knapp 100 Jahren

Grundsätzlich wären die Zutaten, die zumindest das Ende der Hausse besiegeln könnten, ob mit einem Crash (sehr selten, aber das heißt nicht unmöglich) oder einer relativ hartnäckigen Korrekturbewegung (die üblichere Variante), alle beieinander. Die Akteure werden immer leichtsinniger, weil sie dadurch, dass sehr negative Impulse immer weniger Auswirkungen auf den Aktienmarkt haben, glauben, dass absolut nichts passieren könnte. Und wenn, würden die US-Notenbank und der US-Präsident schon umgehend eingreifen. Das hat man 1929 übrigens auch gedacht. Und nicht verstanden (bzw. nicht verstehen wollen), dass keine Macht der Welt einen Crash verhindern, stoppen oder ungeschehen machen kann. Denn auch damals wollte keiner, was dann passierte. Das ist also kein Argument.

Und wenn wir uns ansehen, wie viele Akteure gerade extrem wild unterwegs sind, kann man schon unruhig werden. Sehen Sie sich als Beispiel die Aktie des Fleischersatz-Herstellers Beyond Meat an. Nachdem sie 2019 an die Börse kam, wurde sie gleich mal auf das dreifache ihres Startkurses hochgezockt. Es folgte ein Einbruch, ein mehrjähriges, wüstes Auf und Ab und dann die endgültige Baisse, die den Kurs, der im Juli 2019 240 US-Dollar erreicht hatte, zuletzt auf 50 Cent drückte. Doch plötzlich …

Börse aktuell: Entwicklung Beyond Meat von März bis Oktober 2025 - Hohe Volatilität im Oktober | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Beyond Meat von März bis Oktober 2025 – Hohe Volatilität im Oktober | Quelle: marketmaker pp4

… explodiert der Kurs bei absurd hohen Umsätzen auf die Nachricht hin, man werde jetzt auch bei Walmart anbieten. Es folgte eine Nachricht über einen riesigen Kauf von Optionen mit Basispreis 9 US-Dollar. Die Leute wussten nichts, dachten aber: Der, der da gekauft hat, weiß mehr – und machten mit. Und dann kamen miese Quartalszahlen, die die Aktie wieder drastisch in die Knie zwangen. So etwas haben wir genau so schon damals, 1928 und 1929, erlebt. Oder besser: Nicht wir, sondern die, die damals dabei waren und heute natürlich nicht mehr leben. Und wie man weiß, vergessen die Märkte schnell. Vor allem, wenn Gier im Spiel ist.

Einschub: Was weiß man eigentlich?

Dass man bereit ist, alles zu glauben und auf alles zu reagieren, was ins eigene Bild passt und zugleich sorgsam vermeidet, die Kehrseite auch nur zur Kenntnis zu nehmen, ist eines dieser für Außenstehende absurd wirkenden Phänomene einer Hausse bzw. des Verhaltens derer, die dort dabei sind. Denn auch, wenn ich am Sonntagabend nicht sicher sein kann, was die Aktienmärkte jetzt, während Sie dies lesen, treiben, darf man doch vermuten, dass man an der Börse aktuell die scheinbare Einigung USA/China feiert, obwohl die neuen Rekorde diese längst vorweggenommen haben.

Und obwohl … und das ist besonders drastisch … man gar nicht weiß, was genau diese „vorläufige Einigung“ beinhaltet, die dann am Donnerstag von Xi und Trump abgesegnet wird … oder auch nicht! Sollten wir heute kräftig steigende Kurse sehen, sehen besonnene Anleger hinter den Kursen das wachsende Risiko. Die Käufer hingehen sehen es nicht. Aber zurück zum Punkt: Wie „heiß gelaufen“ sind die Aktienmärkte denn jetzt, allen voran der Markt, um den sich letztlich auch jetzt alles dreht, der US-Aktienmarkt?

Zocken auf Pump: Ein Indikator der Risikobereitschaft

Derivate zu handeln ist für sich genommen spekulativ. Wenn man das Geld, was man z.B. für Futures oder CFDs als Sicherheit (Margin) zu hinterlegen hat, aber gar nicht hat, sondern es sich leiht, wird es extrem. Der folgende Chart zeigt, dass das Volumen dieser Margin-Kredite aktuell ein Allzeithoch erreicht hat. Zeigt das an, dass die Party in Kürze vorbei ist, weil zu viele zu viel riskieren?

Börse aktuell: Entwicklung Börsenkredite in den USA und NYSE Composite Index von 2000 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Börsenkredite in den USA und NYSE Composite Index von 2000 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Nein, denn die Sache hat einen Haken: Richtig ist zwar, dass neue Hochs bei den Margin-Krediten mit neuen Hochs am Aktienmarkt zusammengehen und danach immer ein kräftiger Abstieg kam. Aber dass es nach einem Hoch runter geht, liegt ja in der Natur der Sache, sonst wäre es ja keines. Nur kann man eben nicht vorhersagen, wo genau dieses Hoch liegen wird. Es kann jetzt erreicht sein … es kann aber genauso noch Monate auf neue Rekorde gehen. Und dass dieses Kreditvolumen steigt, liegt zum Teil auch daran, dass die Margins bei steigenden Kursen mit steigen. Das bedeutet also nicht zwangsläufig, dass das Volumen der Derivate, die auf Pump gekauft werden, an sich gesehen größer wird.

Allerdings sehen wir in diesem Chart, dass die Summe der Börsenkredite aktuell dem Markt deutlich davonläuft. Also ja, aktuell nimmt die Risikobereitschaft noch mehr zu. Das ist aber eben nur ein Warnsignal, weil wir nie wissen können, wo „oben“ sein wird.

Barreserven der Fonds: Niedrig sind sie, aber noch nicht extrem niedrig

Das gilt auch für die Bargeld-Reserven der US-Fonds, deren Verlauf wir im folgenden Bild sehen. Je geringer diese werden, desto höher ist der Optimismus einerseits der Anleger, die die Fonds mit immer neuem, frischem Geld „füttern“, so dass diese letztlich gezwungen sind, dieses Geld auch zu investieren und andererseits der Optimismus der Fondsmanager selbst, denn:

Börse aktuell: Entwicklung der Barreserven der US-Fonds von 1996 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Barreserven der US-Fonds von 1996 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

… ob die Entscheider dort das einlaufende Kapital nur teilweise investieren oder voll in den Markt geben und ihre Bargeld-Reserve zugleich verringern, um mit vollen Segeln im starken Wind dabei zu sein, ist auch ein Signal dafür, dass hier die Risikobereitschaft steigt. Was zwar ein Kontraindikator ist, sprich je risikofreudiger alle werden, desto größer wird auch dieses Risiko. Aber erstens ist auch hier kein Timing möglich, zweitens sehen wir, dass diese Barreserven derzeit zwar im Vergleich zu den letzten Jahren niedrig sind, aber noch nicht auffällig niedrig. Ein Warnsignal ist das sicherlich, ein Alarmsignal noch nicht.

New Highs/New Lows: Viel zu wenige neue Hochs … aber auch hier mit einem „aber“

Das gilt auch für die Zahl der neuen 52-Wochen-Hochs und 52-Wochen-Tiefs an der New York Stock Exchange an der Börse aktuell. Was wir sehen ist, dass die Zahl neuer 52-Wochen-Hochs am Freitag für einen Tag, an dem die großen US-Indizes allesamt neue Rekordhochs markierten, verblüffend klein ist. Das zeigt: Viel zu wenige Aktien tragen diese Hausse. Nur: Das wissen wir schon länger.

Börse aktuell: Entwicklung neuer 52-Wochen-Tiefs und 52-Wochen-Hochs von US-Aktien von 2020 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung neuer 52-Wochen-Tiefs und 52-Wochen-Hochs von US-Aktien von 2020 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Es sind die Mega-Caps, die ziehen und deren immer größer werdende Gewichtung den Gesamtmarkt auf neue Rekorde schraubt, während relativ viele andere Aktien nicht mitlaufen. Das erhöht das Risiko, denn wenn eine Hausse auf zu wenigen Beinen steht, besteht immer die Gefahr, dass Enttäuschungen bei den Zugpferden die Sache insgesamt kippen. Und so, wie einige Aktien zuletzt liefen, kann selbst „gut“ nicht mehr gut genug sein. Aber es gibt auch hier ein „aber“:

Wir sehen in diesem Chart auch, dass die Zahl neuer 52-Wochen-Tiefs ebenfalls auffallend niedrig ist. Das deutet momentan zwar nur an, dass die Anleger jetzt auch die zurückgebliebenen Aktien aufsammeln, weil sie sie als „billig“ einstufen (meist nur wegen des niedrigen Preises, siehe das Beispiel Beyond Meat oben). Aber erst, wenn die Zahl der neuen Tiefs die der Hochs deutlich und für mehrere Wochen übertrifft, ist das Risiko einer echten Abwärtswende hoch. Man sollte diese Indikation im Auge behalten, aber ein Verkaufssignal senden diese Daten bislang nicht.

KGV: Was teuer ist, kann auch noch viel teurer werden

Je nach der Art der Berechnung haben Dow Jones und DAX außerhalb der Verzerrungen durch Rezessionen oder Ereignisse wie Corona jetzt hohe oder sogar rekordhohe Bewertungen in Bezug auf das Kurs-/Gewinn-Verhältnis (KGV) erreicht. Welches man für Indizes aus dem Schnitt der KGVs der in ihnen enthaltenen Aktien ermittelt. Das ist ein Zeichen für wachsendes Risiko. Aber es ist in erster Linie nur ein Anlass, um noch vorsichtiger bzw. wachsamer zu sein. Wie auch die anderen Indikationen, die den „inneren Zustand“ der Märkte messen, gibt auch diese Indikation Hinweise auf den Grad des Risikos, aber sie kann keine unmittelbaren Signale für den Kauf oder Verkauf liefern. Der Grund ist klar:

Börse aktuell: Entwicklung KGV Dow Jones und KGV DAX von 2015 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung KGV Dow Jones und KGV DAX von 2015 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Was billig ist, kann noch viel billiger werden, lautet eine alte Börsenregel. Was aussagen soll, dass man nicht einfach blind in fallende und dadurch vermeintlich billige Kurse hinein kaufen soll. Das gilt aber auch umgekehrt: Was teuer ist, kann noch viel teurer werden. Ja, die KGVs von Dow Jones und DAX sind hoch. Aber wenn das die Masse der Käufer stören würde (oder sie es wüssten, den meisten sagen ja selbst solche Basisindikatoren mangels Fachkenntnis nichts), wären die Indizes gar nicht erst so teuer geworden. Daher wird sie das nicht von weiteren Käufen abhalten. Also?

Das Risiko steigt, aber was fängt man damit an?

Diese Indikationen zeigen, dass die Risiken steigen. Und das auch ohne Berücksichtigung des Umstands, dass die Rahmenbedingungen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene keineswegs zu einer Dauer-Hausse passen. Es ist entscheidend, das zu wissen. Denn nur dann ist man imstande, umgehend, besonnen und richtig zu handeln, wenn die Sache kippt. Wer da dann aus allen Wolken fällt, reagiert fast immer hektisch und völlig falsch.

Aber man muss eben auch sehen, dass das Umfeld schon länger nicht zu dieser Hausse passt und die Akteure seit Jahren immer weniger Fachwissen haben, dafür aber immer riskanter agieren. Das steigert die Gefahr eines „Sudden Death“ der Hausse, keine Frage. Aber das zu wissen, bringt einen nicht näher an die Antworten auf die Fragen nach dem „Wann“ hinsichtlich der Abwärtswende und nach dem „Wo“ in Bezug auf das Hoch. Auch das war übrigens vor 1929 genauso. Rein vom Verstand her hätte das alles damals schon 1927 zusammenbrechen können, ja müssen. Erst Angst kann die Hausse beenden. Was die auslöst, ist nie vorhersehbar, sicher ist nur: In Phasen wie diesen ist sie besonders ansteckend.

Fazit: Einfach auf Short zu drehen wäre immer noch ein Glücksspiel. Aber zu wissen, wo der Notausgang ist und sprungbereit in dessen Nähe zu weilen, um raus zu sein, bevor ihn eine panische Masse verstopft, das wäre äußerst ratsam. Denn wer die Börse verstanden hat, weiß definitiv eines: Man weiß nie, was passieren wird!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Welche Fähigkeit ist für einen Trader die wichtigste? Das ist natürlich eine komplett subjektive Sache. Für die einen ist es umfassendes Fachwissen, fundamental wie chart- und markttechnisch, kombiniert mit dem Verständnis für die Psychologie der Märkte. Für andere mögen es Schnelligkeit, Entschlossenheit und Risikobereitschaft sein. Ich denke, all das ist wichtig. Aber die höchste Stufe des Tradings erreicht man meiner Meinung nach, wenn man zu etwas ganz anderem imstande ist.

Und das wäre? Lachen Sie nicht, lesen Sie erst weiter. Denn was ich als die höchste Ebene des Könnens ansehe, klingt im ersten Moment albern: gezieltes Wegbleiben. Nichts tun. Absolut keine Trading-Position dort haben, wo man normalerweise aktiv wäre.

Im Ernst? Im Ernst. Bringen wir es auf einen ganz einfachen Punkt: Wer nicht dabei ist, verdient kein Geld. Wenn man jedoch dabei ist, aber kleinen Plan hat, d.h. nicht wirklich weiß, was wann wo zu tun ist, verliert man Geld. Das Problem, das wir als Trader damit haben:

Tickerwürmer haben’s nicht leicht

Sicher kann man sich immer erst im Nachhinein sein, ob ein kleiner Impuls in einer Seitwärtsbewegung nicht vielleicht doch derjenige ist, der den Ausbruch aus der Handelsspanne und den Beginn eines neuen, hoch gewinnträchtigen Impulses darstellt. Also wird es eben versucht. Zumal da ja noch ein weiterer Aspekt existiert:

Als Trader will man „Action“.  Da mag der Verstand einem sagen: Nein, das ergibt keinen Sinn, dass du da jetzt herumhantierst. Der kleine Mann im Ohr brüllt die Vernunft nieder und schreit: Doch, das ist es jetzt. Da gehst du jetzt rein, ich fühle, dass das jetzt ein guter Trade wird.

Börse aktuell: Dax Entwicklung Mitte Oktober - Schwierig zu handeln mit kurzfristigem Ansatz | marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Dax Entwicklung Mitte Oktober – Schwierig zu handeln mit kurzfristigem Ansatz | marketmaker pp4

Besagter kleiner Mann im Ohr ist dummerweise für miese Tipps nicht haftbar. Wie auch, er ist ja ein Teil von uns. Dass man ein ums andere Mal auf ihn hereinfällt und einen Trade eingeht, der einer Entwicklung vorgreift, die kommen kann, aber keineswegs muss, liegt an der Natur der Börse. Die Kurstafeln blinken, es ist rund um die Uhr weltweit etwas los und man hat einfach, wenn man gerade ohne Position ist, das Gefühl: Alle verdienen Geld, nur ich nicht.

Natürlich kann ich da grundsätzlich nur von mir ausgehen und von den armen Kollegen, von denen ich weiß, dass sie wie ich am Tickerwurm-Virus leiden (Tickerwürmer müssen immer einen Trade laufen haben, sonst gehen sie ein). Aber ich wage die Vermutung: Wer diesen Text nicht als gezielt auf mittel- und langfristige Positionen ausgerichteter Investor liest, weiß, wovon ich schreibe. Die Frage ist:

Was kann man tun? Wie kommt man von diesem schmalen Brett weg, das einem so oft Verluste und Situationen einbrockt, die, weil man nur dabei sein wollte, aber keinen Plan hatte, in ein „Mist, was jetzt“ führen? Einfach wegbleiben?

Börse aktuell: Dax Entwicklung Mai bis Oktober - Wenig zielführendes | marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Dax Entwicklung Mai bis Oktober – Wenig zielführendes | marketmaker pp4

Was braucht es, um vernünftig zu traden?

Wegbleiben. Nur wegbleiben, ohne „einfach“. Denn einfach ist das eben nicht. Deswegen gibt es auch diesen sinnigen Spruch: Börse ist simpel, aber nicht einfach. Wenn man immer all das machen würde, was man als richtig gelernt hat und das bleiben ließe, von dem man weiß, dass es höchst riskant ist, wären wir alle längst reich wie Krösus.

Die Regeln und Grundlagen zu lernen und zu verstehen, ist für jeden machbar. Das ist aufwändig und anspruchsvoll, keine Frage. Aber wir reden hier ja auch nicht von Mau-Mau, sondern von Trading. Doch diese Regeln auch wirklich absolut konsequent umzusetzen, ist halt eine ganz andere Sache. Denn unsere Emotionen in Form des oben erwähnten „Mitarbeiters im Ohr“ sind für Regeln und Disziplin nicht zu haben. Wie löst man das? Wie kann es gelingen, absolute Trading-Disziplin zu erreichen?

Ich behaupte: gar nicht. Absolut, das wird nichts, wir sind keine Maschinen. Aber meistens bis nahezu immer, das wäre ja schon mehr als genug. Aber was braucht es, um vernünftig traden zu können?

1. Klare Regeln, die man sich aufstellt. Das kann Trendfolge sein, sie ist m.E. die sicherste Schiene, auf der man stehen kann. Aber man kann auch anders vorgehen, entscheidend ist nur: Ein Trader braucht ein Regelwerk, das für Einstieg, Positionsgröße, Absicherung und Ausstieg glasklar vorgibt, wann was zu tun ist.

2. Das Asset, das man traden will, muss das hergeben, sprich das Chartbild braucht eine Struktur. Einen sauberen Seitwärtstrend, einen funktionierenden Auf- oder Abwärtstrend und idealerweise eine Leitlinie zur Orientierung für die Stop Loss-Absicherung, sei es eine Trendlinie, die bereits bestätigt wurde oder ein offensichtlich von den anderen Akteuren als Leitlinie genutzter, gleitender Durchschnitt.

Börse aktuell: S&P 500 Entwicklung April bis Oktober - Struktur im Chart | marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
S&P 500 Entwicklung April bis Oktober – Struktur im Chart | marketmaker pp4

Sehen Sie sich die ersten beiden Charts an, den DAX auf Intraday-Basis oder auf Tagesbasis seit Frühjahr: Da ist nichts davon geboten. Was hieße: Der DAX ist für das Trading derzeit denkbar ungünstig. Also sollte man wegbleiben. Und ich kenne diese Ausreden, die dann im Kopf auftauchen, aus eigener Erfahrung: Ja, aber hier weiß ich, woran ich bin, hier kenne ich mich aus (als ob Long oder Short bei anderen Assets irgendwie anders laufen würde) und ich habe da noch eine Rechnung offen (die Emotionen sagen: Ich will vom DAX mein Geld zurück, das ich zuvor da an die Wand gefahren habe).

Das ist alles dummes Zeug. Aber wir sind nun einmal Menschen, wie neigen dazu, Unsinn zu denken und zu glauben, wenn er uns in den Kram passt und/oder unsere Emotionen bedient.

Nebeneffekt: Die Füße stillhalten öffnet den Blick für neue Chancen

Ich für meinen Teil bin jetzt gerade in Eigentherapie und ja, es gelingt mir allen Ernstes, mein durchaus gutes, eigenes Trading-System auch wirklich mal konsequent anzuwenden, was heißt: Disziplin. Geduld. Und, vor allem, wegbleiben. Keine Trades ohne Signal. Das ist gar nicht so einfach, so als zukünftiger Ex-Tickerwurm. Aber es ist auch gar nicht unbedingt zwingend, unbedingt ein komplett leeres Trading-Depot zu haben. Weil?

Börse aktuell: Hang Seng Entwicklung April bis Oktober - Stabiler Aufwärtstrend | marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Hang Seng Entwicklung April bis Oktober – Stabiler Aufwärtstrend | marketmaker pp4

Weil „wegbleiben“ ja nur für einen Markt gilt, der keine Trading-Signale abliefert, die taugen und der keine Struktur im Kursverlauf hat. Warum denn nicht einfach umschauen und damit die Tugend der Flexibilität anwenden, die ein Trader ebenso dringend haben sollte? Sehen Sie sich die Chartbilder des S&P 500 und des Hang Seng an: Da haben wir gerade eine Struktur im Chartbild, mit diesen Kursverläufen kann man deutlich mehr anfangen als mit dem des DAX.

Aber erst einmal muss es eben gelingen, sich von seinem Leib-und-Magen-Markt zu lösen, sobald der Zicken macht. Zu erkennen, dass man sich da womöglich verrennt, wenn keine Struktur da ist. Und wegbleiben. Nur so sieht man auch andere Chancen und ist, weil man gerade neutral ist und damit weniger unter Druck, auch viel offener gegenüber Chancen. Chancen, von denen man, wenn man als Tickerwurm dauernd irgendwo festhängt und stur einen ewigen Kampf mit immer demselben Asset ausfechtet, nicht einmal bemerken würde, dass sie überhaupt da sind.

„Wegbleiben“, wenn das eigene Regelwerk kein Signal auswirft und das Chartbild keine Struktur hat: Das ist womöglich einer der gewinnbringendsten Ratschläge, den man befolgen kann, denn er hilft, unnötige Verluste zu vermeiden. Und Geld, das man sonst ohne Sinn und Verstand in den Schornstein geblasen hätte, zu behalten, ist eben letztlich unter dem Strich auch ein Gewinn.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Wochenlang war es auffallend ruhig an den Börsen. Der Verdacht, dass das nur die Ruhe vor dem Sturm war, hat sich jetzt bestätigt. Mit einer schlagartig zunehmenden Volatilität gehen viele Blicke wieder in Richtung der Edelmetalle. In Richtung der Assets also, die gerne als „sichere Häfen“ bezeichnet werden. Aber das sind sie nicht … die Sache ist komplizierter und einfacher zugleich.

Es geht also wieder los. Die Nachrichtenlage hatte monatelang den Anschein erweckt, dass die Verhandlungen zwischen den USA und China zwar zäh laufen, aber auf gutem Wege sein würden. Jetzt aber leistet China gegenüber neuen US-Restriktionen Gegenwehr. Da Mr. Trump Widerspruch oder Gegenwehr nicht akzeptiert, eskalierte er am Freitagabend mal wieder. Was indes China sicher nicht in die Knie zwingen wird. Man lässt sich dieses Vorgehen der USA nicht bieten – das sollte man in Washington mittlerweile verstanden haben, hat es aber offenbar nicht. Das kann zu einer extrem kritischen Lage führen:

Seltene Erden, die nicht geliefert werden. Waren, die ausbleiben. Arbeiter, die auf der Straße stehen. Und das in den USA, in China und, als Folgeschäden dieser Situation, auch im Rest der Welt. Die zuletzt so fröhlich ignoranten Aktienmärkte beginnen zu wackeln … und der Blick von immer mehr Anlegern wandert dorthin, wo man vermeintliche Sicherheit zu finden glaubt: zu den Edelmetallen. Aber wieso „vermeintliche Sicherheit“?

An der Börse kann es keine „sicheren Häfen“ geben

Weil Edelmetalle genauso wenig ein „sicherer Hafen“ sind wie alles andere, was an der Börse von jedermann gehandelt werden kann. Sicherheit für das Ersparte, das wäre dann gegeben, wenn man es irgendwo hin packt, wo es unter keinen Umständen weniger werden kann. Und das gilt nur für das Konto (es sei denn, die Bank geht pleite und man hatte mehr, als offiziell abgesichert ist) oder für die Truhe, die man im Garten vergraben hat (es sei denn, es buddelt sie jemand aus und macht sich damit davon). Gold, Silber, Platin und Palladium hingegen mögen als Metalle „edel“ sein, aber sie sind als Anlage deswegen noch lange nicht „sicher“. Und zwar weil sie frei gehandelt werden. Als Leitlinie kann und darf da gelten: Absolut alles, was einen lockt, weil man darauf hofft, dass es mehr wert wird, kann eben auch weniger wert werden, wenn es dumm läuft.

Gerade läuft es für die Edelmetalle nicht schlecht, keine Frage. Und das gilt für alle vier Metalle, die man zu dieser Kategorie zählt. Wenn wir uns mal ansehen, wie sich die vier klassischen Edelmetalle in US-Dollar gerechnet seit Jahresbeginn so geschlagen haben, dürfte mancher erstaunt sein: Trotz dieser so symbolträchtigen 4.000 US-Dollar-Marke, die Gold jetzt erklommen hat, ist das „gelbe Metall“ im Kreis seiner Edel-Kollegen derzeit die lahme Ente.

Börse aktuell: Entwicklung Gold, Silber, Platin und Palladium im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Gold, Silber, Platin und Palladium im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Aber das bedeutet nicht, dass diese vier Edelmetalle einfach weiter steigen werden. Das kann so sein. Aber es muss eben nie. Daher ist „kaufen und liegen lassen“ auch hier nicht die beste, sondern je nach Einstiegszeitpunkt sogar die riskanteste Strategie. Was spräche derzeit dafür, dass diese Hausse weitergeht … und was sind die Risikofaktoren und warum? Zunächst das „pro“:

Anders als bei anderen Assets gilt hier: Das Boot ist nie zu voll

Die Rahmenbedingungen werden immer kritischer. Wenn die großen Militärmächte miteinander im Clinch liegen, steigen die Risiken, auch für die Weltwirtschaft. Und die US-Zollpolitik könnte dabei, so, wie die Sache jetzt wieder aus der Spur läuft, zur „Abrissbirne“ des Wachstums werden. Zugleich wissen viele Anleger durchaus, dass die großen Indizes insgesamt ungewöhnlich teuer bewertet sind … und das in einem ungewöhnlich riskanten Umfeld. Was fehlt, ist eine Initialzündung, die den Exodus derer lostritt, die beunruhigt sind, aber noch dabeibleiben, bis sie sehen, dass andere in größerem Umfang verkaufen. Diese 100 Prozent „Extrazoll“ gegen China, die Mr. Trump am Freitag ab 1. November angeordnet hat, könnten die Lawine lostreten, sie müssen es aber nicht. Man weiß so etwas nie vorher, schließlich geht es da um emotionale Entscheidungen zahlloser Anleger weltweit. So etwas kann man nicht in Schemata pressen.

Aber wenn das große Verkaufen losgeht, wären neben Anleihen und defensiven Aktien die Edelmetalle ein natürliches Ziel. Auch diesmal, obwohl sie bereits so stark gelaufen sind?

Börse aktuell: Entwicklung Silber von 1975 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Silber von 1975 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Grundsätzlich auch dann. Denn die Edelmetalle haben zwar nicht nur immateriellen Wert, sondern werden auch industriell und für die Schmuckindustrie benötigt. Aber vor allem haben sie diesen immateriellen Status: Wer sie hat, hat ein wenig mehr Sicherheit. Dabei geht es vor allem um das „Haben“ und weniger um den Preis.

Und sie sind grundsätzlich nie als „zu billig“ und „zu teuer“ einzuordnen, wie das bei Aktien, Anleihen oder Indizes möglich ist, bei denen Zinsrendite, Dividendenrendite, Unternehmensgewinne und potenzielles Wachstum eine solche Bewertung ermöglichen. Was bedeutet:

Da ein Edelmetall nie objektiv „zu teuer“ sein kann, ist das Boot nie „zu voll“ – in Bezug auf die Zahl derer, die hier noch kaufen könnten ebenso wie in Bezug auf das daraus resultierende Kurspotenzial. Nach oben geht theoretisch immer etwas. Nur muss man immer im Hinterkopf behalten, dass nicht passiert, was passieren könnte, nur weil man selbst mit von der Partie ist und sich das wünscht.

Edelmetalle sitzen auf, aber auch zwischen allen Stühlen

Je unberechenbarer ein Asset an der Börse ist, desto mehr sollte man auf der Hut sein. Und diese vier Edelmetalle, die gerade laufen wie geschnitten Brot und die manche als „sicherer Hafen“ bezeichnen und sie auch so sehen, sind besonders unberechenbar. Was macht sie zu solchen eigentlich ziemlich „unsicheren Häfen“?

Börse aktuell: Entwicklung Platin von 2000 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX

Zum einen das, was sie gerade durch die Decke steigen lässt: Der Wunsch nach Sicherheit. Denn was passiert, wenn diese Emotion – und nichts anderes ist das ja – plötzlich bei vielen wegfällt, weil sie dem Aktienmarkt wieder mehr trauen oder sich die Rahmenbedingungen verändern? Die Kurse könnten in sich zusammenfallen. Wenn wir uns vorstehend Platin ansehen (weiter oben bei Silber sehen wir das aber genauso), dann sehen wir, wie schnell so etwas gehen kann. Und das kann eben auch passieren, weil man zwar extrem besorgt um sein Geld ist, aber sieht, dass die gekauften Edelmetalle nicht halten, was man sich von ihnen erwartet, indem sie nicht zulegen oder sogar nachgeben. Dann kann hier eine Lawine entstehen, die sich gewaschen hat, auch aus zwei anderen Gründen:

Erstens, weil diese Edelmetalle eher enge Märkte sind. Sicher, auch hier gehen Milliarden um. Aber das ist nichts im Vergleich zu den Summen, die im Anleihe- und Aktienmarkt investiert sind. Und würde da Geld abfließen, ginge es eben in gerade einmal vier Assets. Das ist, als wollte man einen Elefanten durch einen Gartenschlauch quetschen. Das führt dazu, dass Gold & Co. bei größeren Zu- und Abflüssen sehr starke Bewegungen aufweisen können.

Und es besteht immer das Risiko, dass die Edelmetalle bei starken Kurseinbrüchen am Aktienmarkt nicht davonziehen, sondern mit fallen. Denn sobald eine Situation hoch kritisch und zugleich unübersichtlich ist, neigen große Adressen dazu, ihre Cash-Reserven in allen Assetklassen hochzufahren. Das kann die Edelmetalle leicht in genau dem Moment zu Boden schicken, in dem viele hoffen, dass sie steigen. Wenn das nicht passiert, kann die oben genannte Enttäuschungsreaktion auftreten und die Kurse wegbrechen lassen. Der folgende Chart zeigt dieses Phänomen im Zuge des Corona-Crashs im März 2020.

Börse aktuell: Entwicklung Gold und Dow Jones von 2019 bis 2020 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Gold und Dow Jones von 2019 bis 2020 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Wie geht man mit diesen besonderen Assets am besten um?

Aber wenn das alles so unberechenbar ist, sollte man die Edelmetalle dann nicht besser meiden oder sie zumindest wie ein „Zocker-Asset“ einordnen? Nein, das wäre keineswegs nötig, denn wenn man weiß, womit man es hier zu tun hat, kann man auch damit umgehen.

Ich würde dazu raten, die Edelmetalle eben nicht als das anzusehen, was viele glauben, dass sie es wären: „sichere Häfen“. Besser ist es, Gold & Co. als eine Art Instrument oder Tool anzusehen. Und zwar als eines, das dem eigenen Sicherheitsgefühl ebenso wie dem der anderen Anleger dient und sich daher emotional basiert bewegen kann, aber nie muss. Fallen die Kurse, wird dieses Gefühl, hier sicher zu sein, unterminiert und viele lassen diese Edelmetalle fallen wie eine heiße Kartoffel. Und ob es hier auf- oder abwärts geht, hängt keineswegs zwingend von der Gesamtlage, sondern mehr vom Kursbild selbst ab! Und das muss den externen Einflüssen nie zwingend folgen, denn:

Börse aktuell: Entwicklung Gold von 1972 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Gold von 1972 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Natürlich wird auch bei Gold, Silber, Platin und Palladium getradet. Kurs- und mittelfristig, auf chart- und/oder markttechnischer Basis. Auch hier gibt es Zocker, die auf Minutenbasis ein- oder aussteigen, gibt es große Adressen, die gewaltige Volumen abwickeln.

Eigentlich sind die Edelmetalle also Assets wie alle anderen. Dass sie trotzdem ein Fall für sich sind, liegt nur daran, dass so viele glauben, dass sie „anders“ wären und daher nicht damit klarkommen, dass sich die Kurse der Edelmetalle bisweilen bewegen, als wären sie ein Aktienindex. Wer das aber versteht, tradet auch hier konsequent und emotionslos entlang der Trends. Und wem das gelingt, der ist hier „goldrichtig“, denn Sie sehen es ja in den Charts: Diese Trends können eine ganze Menge Freude machen, solange man ihnen auch folgt!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.