Der S&P 500 bewegt sich derzeit noch etwa ein Prozent unter der oberen Begrenzung des markanten 2020er-Aufwärtstrendkanals und ist teuer bewertet. Die US-Notenbank zeigte gestern auf, dass man sich auf schwierigen Pfaden befinde. Aber der Index blieb stabil. Warum?
Wenn man es sich einfach machen und darauf verweisen würde, dass morgen die große Abrechnung der Futures und Optionen am Aktienmarkt ansteht, in der Regel in Aufwärtstrends versucht wird, die Abrechnung so hoch wie möglich zu erreichen und die US-Notenbankentscheidung dazu nur als „Vehikel“ diente … könnte man richtig liegen.
Denn das, was die US-Notenbank getan, geschrieben und in Gestalt ihres Vorsitzenden in der Pressekonferenz gesagt hatte, barg keine Argumente, um mit fliegenden Fahnen weiter zu kaufen. Im Gegenteil, das hätte Anleger eher zum Ausstieg treiben können bzw. müssen.
Die Maßnahme, den Leitzins, zuvor in der Spanne 4,25–4,50 Prozent, um ein Viertelprozent auf 4,00–4,25 Prozent zu senken, war weder Fisch noch Fleisch. Genug, um handlungsbereit zu wirken, zu wenig, um klare Kante zu zeigen. Der Grund liegt darin, dass man sich ungewöhnlich uneins in der Frage ist, wie man die momentane Entwicklung beurteilen muss und wie es weitergeht. Das an dieser Stelle schon einige Male dargelegte Problem wurde dabei von Jerome Powell klar auf den Punkt gebracht:
Auf der einen Seite hat man Abwärtsrisiken am Arbeitsmarkt, auf der anderen Seite aber Aufwärtsrisiken bei der Inflation. In einer solchen Situation gibt es, so Powell, keinen risikolosen Pfad, den man einschlagen könnte. Und dass man momentan nicht imstande sein kann, klar vorherzusagen, wie sich Wachstum, Inflation, Arbeitslosigkeit und letztlich auch die Leitzinsen in der Zukunft darstellen werden, manifestierte sich auch in eher kleinen, unbedeutenden Anpassungen der Wachstums- und Inflationsprognose. Die wirkten wie ein Versuch, irgendwo in der Mitte zu landen. Und es zeigte sich vor allem in untypisch stark auseinanderlaufenden Ansichten über die kommende Geldpolitik.
Von den 19 Mitgliedern im Federal Open Market Committee (FOMC), das über den Leitzins entscheidet, sehen neun Mitglieder zwei weitere Zinssenkungen noch in diesem Jahr, sechs aber keine mehr, zwei wären für noch einen Zinsschritt in 2025. Damit ist völlig offen, wie es da weitergeht. Und eine unentschlossene, sich in sich nicht wirklich einige Notenbank wäre normalerweise Gift für eine Aktienmarkt-Hausse. Aber gerade jetzt ist die Situation eben nicht normal, weil dieser Notenbank-Entscheidung ein „dreifacher Hexentanz“, sprich eine große, die Futures einschließende Abrechnung an der Terminbörse, auf dem Fuße folgt. Bei der es immer um viel, um sehr viel Geld geht.
Expertenmeinung: Genug Geld, um nötigenfalls mit hohem Kapitaleinsatz zu verhindern, dass ein Index wie der S&P 500, am US-Derivatemarkt von den Umsätzen her der Basiswert Nummer 1, so kurz vor der Abrechnung aus dem Ruder läuft und die großen Akteure am Terminmarkt dann weit mehr Gewinn kostet oder Verlust beschert, als man einsetzen müsste, um ihn in der Spur zu halten.
Daher überraschte es alte Hasen vermutlich wenig, dass der Index, der mit Beginn der Pressekonferenz von „Fed“-Chef Powell um 20:30 Uhr kräftig abrutschte, auf einmal kurz vor Beginn der letzten Handelsstunde wieder rasant aufholte (ohne, dass Powell etwas gesagt hätte, das dies hätte unterfüttern können) und dann wie festgenagelt in einer engen Spanne um die runde Marke von 6.600 Punkten ins Handelsende ging. Er wirkte nicht nur festgenagelt, er war es auch.

So etwas lässt sich beispielsweise bewerkstelligen, indem man immens große Verkaufsorders knapp über diesen Level und genauso große Kauforders knapp darunter im Future platziert. Das sehen die Trader, wissen, was es geschlagen hat, und geben es auf, eine der Barrieren durchbrechen zu wollen. So kann man als (sehr) große Adresse einen Level in einem Index zumindest kurze Zeit über halten, ohne dabei immense Summen wirklich aktiv einsetzen zu müssen. Das ist nicht neu, so etwas hatte ich schon vor dem Platzen der Subprime-Blase 2007 beobachtet und nannte es damals wie heute „Futures-Riegel“. Warum die Erwähnung dieser geplatzten Blase?
Weil wir uns heute in einer Situation wiederfinden, die der damaligen nicht unähnlich ist. Damals wie heute war die Gesamtsituation längst problematisch geworden. Die großen Adressen am Aktienmarkt setzten aber weiter auf Hausse, nicht zuletzt, weil der Kapitalzufluss der meist unerfahrenen Sparer in den Aktienmarkt, die die Risiken nicht sehen konnten oder wollten, immer weiterging. Man versuchte, diesen Trend so lange wie irgend möglich aufrechtzuerhalten. Dazu gehörten auch mit der gestrigen vergleichbare Situationen, in denen eine eigentlich enttäuschende Nachricht mit der Brechstange ins Positive verkehrt wurde, um zu verhindern, dass sich bei den Anlegern Zweifel bilden.
Das ging damals verblüffend lange gut, heute nicht minder. Daher ist es zwar wichtig, um die daraus entstehenden Risiken auf der Unterseite zu wissen. Aber es wäre riskant, auf eine Abwärtswende zu setzen, bevor sich dafür klare Indizien zeigen. Und der Chart zeigt: Ja, der S&P 500 ist heiß gelaufen. Aber bislang halten die wichtigen, kurzfristigen gleitenden Durchschnitte, bislang werden kurze Abwärtsbewegungen erfolgreich aufgekauft. Erst, wenn sich das ändert, würde eine Situation entstehen, in der man mit Short-Trades wirklich gute Karten hätte.

Investoren, Anleger und Trader genießen mit einem Depot über LYNX den direkten Zugang zu nationalen und internationalen Börsenplätzen in Deutschland, Europa, den USA und Asien. Handeln Sie an 150 Märkten, in 33 Ländern und 24 Währungen. Jetzt informieren: Alle Märkte
--- ---
--- (---%)Displaying the --- chart
Heutigen Chart anzeigen