Crash oder Rallye … jetzt fallen die Würfel!
Jetzt fallen Entscheidungen. Nicht nur in Bezug auf Donald Trumps zukünftige Möglichkeiten. Auch, was die zukünftige Richtung am Aktienmarkt angeht. Und es wird Auswirkungen auf die Zinsen, auf Gold und auf den Devisenmarkt haben. Die Richtung? Man weiß es nicht, das macht diese Situation so explosiv.
Selbst wenn man vorher sicher wüsste, wie diese „Midterm Elections“ am 6. November ausgehen, man könnte nicht absehen, welches Lager der Investoren sich danach durchsetzen wird, das der Bullen oder das der Bären. Die Wahl 2016 hat uns gelehrt, auf absolut alles gefasst zu sein. Dennoch, wir wollen im Vorfeld die Szenarien durchspielen. Aber zunächst kurz zu dieser Wahl selbst: Um was geht es bei den US-Midterms?
Das sind keineswegs „nur“ Zwischenwahlen – es geht um viel!
Am Dienstag, den 6. November, wird das gesamte US-Repräsentantenhaus mit seinen 435 aus Wahlkreisen heraus gewählten Mitgliedern neu gewählt. Alle zwei Jahre ist das der Fall. Zum Zeitpunkt der US-Präsidentschaftswahl, aber eben auch „mittendrin“ in einer präsidialen Amtsperiode. Darüber hinaus wird ein Drittel der 100 US-Senatoren neu gewählt. Die sind für sechs Jahre gewählt, alle zwei Jahre „rotiert“ ein Drittel der Senatoren durch Neuwahl.
Senat und Repräsentantenhaus sind die beiden Kammern des US-Parlaments, des Kongresses. Wenn die US-Regierung ein Gesetz erlassen will, muss das die Zustimmung des Kongresses haben, und zwar beider Kammern, des Senats und des Repräsentantenhauses. Derzeit haben die Republikaner, also Trumps Partei, in beiden Kammern die Mehrheit. Am 6. November werden die US-Wähler darüber entscheiden, ob das auch so bleibt. Und am frühen Morgen des Mittwochs, des 7. November, werden die Investoren wissen, wie es ausging.
Was diese Wahl so brisant macht, ist folgender Punkt: Sollte die Demokratische Partei durch diese Wahl in einer oder beiden Kammern des Kongresses die Mehrheit erreichen, wäre Trumps Politik damit extrem behindert. Er könnte vieles von dem, was er tun will, wohl abhaken. Zum Beispiel das Infrastrukturprogramm, das die unglaubliche Summe von einer Billion US-Dollar umfassen soll. Aber dieses Geld wäre keineswegs vorhanden. Trumps Steuersenkungen kosten den Staat bislang mehr, als sie einbringen, das Haushaltsloch wächst. Und man darf davon ausgehen, dass eine demokratische Mehrheit, auch wenn das nur in einer der beiden Kammern der Fall wäre, ihm die Zustimmung zu einem solchen Programm verweigern wird. Doch dieses Infrastrukturprogramm hat, obwohl es nur in der Schublade liegt, immens zu der Super-Hausse der US-Aktienmärkte seit Trumps Wahlsieg am 8. November 2016 beigetragen. Kippt das Programm, könnte auch die Wall Street kippen. Auch seine Reform von Obamas Gesundheitsreform wäre dann nicht realisierbar, Trump würde, wie man in den USA sagt, zur „lame duck“, zur lahmen Ente, die nichts mehr voranbringen kann. Nichts?
Wäre der Handelskrieg vorbei, wenn die Republikaner unterliegen?
Doch, nämlich z.B. den Handelskrieg. Denn um Strafzölle zu erheben, braucht er die Zustimmung des Kongresses nicht. Auch begrenzte militärische Aktionen unterhalb der Schwelle eines erklärten Krieges könnten er und sein Kabinett weiterhin anordnen. Das heißt:
Eine demokratische Mehrheit könnte ihm zwar in vielerlei Hinsicht das Regieren erschweren. Aber das, was mittlerweile auch die US-Wirtschaft unter Druck setzt, nämlich diese Welle gegenseitiger Strafzölle, könnte sie nicht unmittelbar stoppen. Erst recht nicht die Aggressivität der US-Regierung und das daraus resultierende, sinkende Ansehen im Rest der Welt. Man könnte zwar hoffen, dass die Demokraten es schaffen, Trump „auszuhungern“ indem sie ihm Zustimmung zu bestimmten Vorhaben unter der Bedingung zuzusagen, dass er diesen Handelskonflikt beendet. Aber ob es so kommt, wie das dann abliefe, es ist reine Spekulation.
Und nicht wenige sorgen sich, dass dieser US-Präsident im Fall eine Niederlage der Republikaner in den Bereichen, die keine Zustimmung des Kongresses benötigen, nur noch aggressiver und unüberlegter agiert und zudem selbst das vernünftigste Gesetz, das ihm vom US-Kongress vorgelegt würde, aus reinem Trotz mit seinem Veto blockiert. Denn das ist ein anderes Problem einer solchen Situation:
Auch der Kongress bekäme nichts vorangebracht, weil Trump Gesetze, die dort ausgearbeitet werden, blockieren kann, während der Kongress kaum etwas oder gar nichts mehr von dem zustimmt, wofür Trump dessen Zustimmung bräuchte. Die USA wären damit politisch gelähmt … in einer Situation, in der es nötig wäre, viel zerbrochenes Porzellan so schnell wie möglich zu kitten!
Die Chancen laut Umfragen
Allgemein wird erwartet, dass die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus erlangen werden, aber nicht im Senat. Das mag verwundern, denn im Repräsentantenhaus haben die Republikaner derzeit einen Vorsprung von 42 der 435 Sitze, im Senat gerade mal einen. Da steht es 51 zu 47, dazu zwei unabhängige Senatoren, wobei die eher den Demokraten zugeneigt sind. Zwei Sitze bei den 35, die am 6. November vergeben werden, mehr zu erobern, das klingt nicht schwer. Ist es aber, denn:
Jeder Bundesstaat der USA stellt zwei der 100 Senatoren. Und zufällig sind die Senatorenposten, um die es jetzt geht, normalerweise „klare Sachen“. Es sind vor allem klar republikanische Staaten, deren Senatoren diesmal zur Wahl stehen. Daher wäre es eine Überraschung, würde es dazu kommen, dass die Demokraten nach der Wahl wirklich 51 Sitze hätten. Aber!
Ist es unmöglich? Nein. Die Umfragen sind wacklig. Es sind zu wenige befragte Personen und die Prognose-Fehlerquoten liegen zwischen fünf bis zu acht Prozent. Und gerade die Wahl 2016 mit Trumps unerwartetem Wahlsieg, der nur zustande kam, weil er trotz mehr Wählerstimmen für Hillary Clinton genau die Staaten gewann, die er brauchte, um mehr Wahlmänner als Clinton zusammenzubekommen, zeigt:
Bei diesen Midterm Elections, diesen Zwischenwahlen, ist absolut nichts im Vorfeld sicher! Vor allem, wenn man sich erinnert, wie die Börsen damals reagierten. Der vorstehende Chart ruft das noch einmal in Erinnerung:
Im Vorfeld war der Dow Jones ebenso wie der gesamte US-Markt seitwärts gelaufen. Doch mit Beginn der Wahlwoche zogen die Kurse kräftig an. Man war entsprechend der Umfragen sicher: Clinton wird gewinnen und das sei, so die allgemeine Meinung, besser für die Wirtschaft. Denn Trumps Programme zielen auf einen kurzfristigen Effekt ab, seien aber langfristig negativ, da war man sich nahezu einig. Und als am Morgen des 9. November (nach mitteleuropäischer Zeit) plötzlich klar wurde, dass Trump gewinnt, brachen die US-Aktienindex-Futures haltlos sein. Aber Sie sehen es im Chart: Auf einmal drehten die Kurse. Gold, zuvor rasant gestiegen, fiel. Der US-Dollar, der nach dieser Nachricht über Trumps Sieg zunächst einbrach, stieg wieder … und die Aktienindizes begannen eine Super-Rallye. Warum?
Nicht, weil auf einmal alle dachten, dass Trump gut für die Börse sei, nachdem man 24 Stunden zuvor noch vom Gegenteil überzeugt war. Nein, es waren „Rettungskäufe“ der großen Adressen, die einen Crash verhindern wollten. Und das gelang so gut, dass bis heute viele glauben, dass Trumps Programme das Beste seien, was der US-Wirtschaft passieren konnte. Nur, weil Dow Jones & Co. mit dieser Kaufwelle den angeblichen Beweis erbrachten. Und das bedeutet:
Erwarten Sie das Unerwartete
Egal, wie es am 6. November ausgehen wird, die Reaktion der Märkte muss nicht logisch sein! Erwarten Sie das Unerwartete, wie auch immer das aussieht. Nur eines muss man im Hinterkopf behalten: Angesichts der derzeit extrem wackligen Situation der US-Aktienindizes, hier im Chart der marktbreite Standard & Poor’s 500, der im Oktober deutlich unter die wichtige, zu Jahresbeginn dreimal verteidigte 200-Tage-Linie gefallen ist, haben die Bullen momentan einen schweren Stand.
Jetzt weiß man, wie Trump als Präsident agiert. Jetzt weiß man, wozu er imstande ist. Und dass seine Programme, von denen er eigentlich ja nur die Steuerreform durchgebracht hat, obwohl er eigentlich binnen Wochen nach Amtsantritt Gesundheitsreform, Steuerreform, Infrastrukturprogramm und die Mauer zu Mexiko „erledigen“ wollte, nicht nur positiv wirken.
Aber damit wird eine Prognose nicht leichter. Denn dass zumindest das Repräsentantenhaus an die Demokraten fällt, davon geht man ja mittlerweile allgemein aus. Was hieße: Der Abstieg der US-Indizes preist bereits ein, dass Trump zur „lame duck“ wird! Kann es da überhaupt noch weiter nach unten gehen? Das kann es schon, aber unter welchen Umständen?
Was wäre das „best case“-Szenario, was das „worst case“-Szenario?
Was müsste passieren, dass der US-Aktienmarkt vergleichbar mit 2016 auf einmal senkrecht nach oben schießt? Was wäre nötig, um diesen Kursrutsch neu zu beleben, vielleicht sogar einen Crash auszulösen? Wir stellen hier zwei Szenarien vor, die rein von der Logik her imstande wären, das eine bzw. das andere zu begünstigen. Aber bedenken Sie eines:
Mit Logik kann man in einem Markt wie diesem, in dem die Nerven blank liegen und die Emotionen regieren, leicht auf die Nase fallen!
Und noch eines ist wichtig:
Egal, was man von Donald Trump hält: Würde er bei dieser Wahl einen Denkzettel erhalten und die Republikaner die Mehrheit verlieren, wäre das für viele Menschen zwar eine Erleichterung. Aber die Börse richtet sich nicht nach Sympathiewerten, sondern nach den wirtschaftlichen Konsequenzen!
Was bereits in den Kursen enthalten sein dürfte:
Folgende Aspekte darf man als am Markt bekannt und „eingepreist“ unterstellen:
- Die Steuersenkungen führten zu einer Belebung des Wachstums, aber auch zu einem deutlichen Anstieg der Inflation. Das führte folgerichtig zu Leitzinserhöhungen. Das Problem ist, dass die US-Wirtschaft in einigen Bereichen sehr fragil ist, denn vieles von diesem Wachstum basiert auf einer immer weiter ansteigenden Verschuldung. Steigende Leitzinsen können sich daher sehr heftig auswirken, denn sie bremsen nicht nur die Preissteigerung, sondern können das Wachstum schnell komplett eliminieren, weil die Neuverschuldung immens teuer wird. Wirkung: NEGATIV.
- Die Steuersenkungen haben die Gewinne der Unternehmen deutlich anschwellen lassen. Noch wirken zudem die mit den eingesparten Steuern finanzierten Aktienrückkaufprogramme. Aber man weiß, dass die nicht endlos weitergehen. Wirkung: NEUTRAL bis POSITIV.
- Der von Trump vom Zaun gebrochene Handelskrieg würde für die US-Börsen immens positiv sein, wenn er gewonnen würde und der Rest der Welt die angestrebten, nur für die US-Wirtschaft vorteilhaften Forderungen der US-Regierung annehmen würde. Trotz der Dauer-Propaganda der US-Regierung ist aber vielen klar, dass dieser Schuss nach hinten losgehen kann. Allerdings ahnt man das seit Wochen, sieht die ersten negativen Folgen in der US-Wirtschaft. Wirkung: vornehmlich NEGATV.
Dass diese Aspekte tendenziell negativ wirken ist ein entscheidender Grund, warum die US-indizes im Oktober so unter Druck geraten sind. Es stellt sich damit die Frage: Wäre man erleichtert, wenn Trump die Hände gebunden würden oder wäre man der Ansicht, dass es damit nur noch schlimmer würde?
Das best case-Szenario für den Aktienmarkt? Es kommt auf den Markt an!
Aus dieser Warte heraus muss man festhalten: Dieses von Trump geplante Infrastrukturprogramm wäre immens wichtig, um das US-Wachstum trotz steigender Zinsen und wachsender Verschuldung aufrechtzuerhalten. Das geht nur MIT Trump und einer Mehrheit im Kongress.
Und da Trump seinen Handelskrieg auch, wenngleich mit mehr Gegenwind, bei einer demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus (und, vielleicht, im Senat) weiterführen könnte, wäre ein Sieg der Demokraten in dieser Hinsicht kein Vorteil. Man könnte eher fürchten, dass der Präsident dann noch extremer agiert, daher:
Der US-Aktienmarkt würde das Behaupten der republikanischen Mehrheit wohl positiver aufnehmen als einen Sieg der Demokraten.
Und in Europa? Das Problem ist, dass dieser Handelskrieg klar negativ wirkt, aber eben fortgesetzt würde, auch, wenn die Republikaner verlieren. Auf der anderen Seite realisiert man hier in Europa ebenso wie in Asien weit klarer als in den USA selbst, welche weltwirtschaftlichen Konsequenzen es hätte, würden Trump am 6. November nicht die Hände gebunden, denn geopolitisch wäre das Risiko eines globalen Abschwungs durch die Fortsetzung der aggressiven US-Außen- und Handelspolitik hoch. Was hieße:
Im Fall eines Sieges der Republikaner würde der US-Markt tendenziell steigen, Europa hingegen weiter unter Druck geraten, siehe der folgende Chart.
Was umgekehrt hieße: Werden Trump die Hände gebunden, würden die US-Investoren das eher negativ aufnehmen. Denn die mittel- und langfristig negativen Folgen alleine der Steuerreform und der aggressiven Geopolitik werden dort kaum wahrgenommen. Man blickt auf die aktuellen Unternehmensgewinne, die Wachstumszahlen und würde fürchten, dass ein durch die Demokraten mangels verfügbarer Milliarden im Staatshaushalt blockiertes Infrastrukturprogramm massiv negativ wäre.
In Europa hingegen wäre man sicherlich gewahr, dass Trump seinen Handelskrieg dann kurzfristig noch intensivieren könnte, würde aber doch hoffen, dass demokratische Mehrheiten im Kongress imstande wären, ihn insgesamt auszubremsen. Was hieße:
Verlieren die Republikaner, wäre die zu erwartende Reaktion auf den Kopf gestellt, die Schere, die sich seit dem Wahlsieg Trumps zwischen dem europäischen Aktienmarkt und der Wall Street aufgetan hat, könnte sich also schließen, wie der folgende Chart skizziert.
Es kommt auch auf Trumps Reaktionen an!
Aber wie vorher schon erwähnt: Erwarten Sie das Unerwartete! Nicht zuletzt deswegen, weil der US-Markt das momentan wahrscheinlichere Szenario einer demokratischen Mehrheit im US-Repräsentantenhaus schon eingepreist zu haben scheint. Wie also könnte es da noch weiter abwärts gehen?
Das könnte dann passieren, wenn der Präsident eine Niederlage nicht hinnehmen würde, die Wahl für ungültig erklären wollte oder mit umgehenden, extremen Maßnahmen wie dem Aufhetzen seiner Anhänger reagieren würde. Dann wäre wohl ein Crash die Folge … und das würde wohl auch kaum auf Europa positiv wirken. Das ist zwar nicht wahrscheinlich … aber die Erfahrung lehrt, dass man bei Mr. Trump besser nichts absolut ausschließen sollte.
Vorsicht, Emotionen!
Die immense Volatilität der letzten Wochen hat dafür gesorgt, dass viele Marktteilnehmer immer höhere Risiken eingehen und immer kurzfristiger entscheiden, was sie tun. Es ist viel Unsicherheit und Angst im Markt, das gilt für Europa ebenso wie für die Wall Street.
Die Reaktion auf die Wahl 2016 hat gezeigt, dass Logik sich in einem solchen Umfeld nicht durchsetzen muss. Weder im ersten Moment, wenn klar ist, welches Bild diese Midterm Elections aus politischer Sicht gezeichnet haben, noch auf Sicht einiger Tage und Wochen. Denn in einem derart volatilen Umfeld wären die Marktteilnehmer durchaus imstande, ihre Wahrnehmung der Realität den Kursen anzupassen statt umgekehrt.
Und man wird natürlich alles tun, um einen Crash an der Wall Street zu verhindern, sollte es für Trump sogar zu einer großen Niederlage kommen, indem die Republikaner auch die Senatsmehrheit verlieren. Was indes auch hieße: Wenn der Versuch, die Verkäufe so auszubremsen wie nach dem 8. November 2016, scheitern sollte, wäre nach unten nichts unmöglich.
Sicher kann man also nicht absehen, ob wir am Ende dieser Woche einen Dow Jones sehen, der 2.000 Punkte höher oder tiefer notiert und ob der DAX ihm folgen oder in die Gegenrichtung laufen würde. Was bedeutet: Ausgerechnet jetzt wäre es keine gute Zeit für große Positionen mit einem hohen Hebel und weiten Stoppkursen.
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