
Da liegt man oft falsch. Denn die Rohöl-Kurse gehorchen keineswegs nur der reinen Angebot-/Nachfrage-Entwicklung. Eine Prognose ist daher immer ein Abwägen zwischen Realität und Projektion, zwischen der echten Nachfrage und der Spekulation. Und wenn dann noch geopolitische Spannungen hinzukommen, die in den vergangenen Jahren bekanntlich massiv Einfluss auf den Ölpreis nahmen, oder die OPEC gezielt die Preise beeinflusst, wird die Situation für Verbraucher und Investoren erst recht herausfordernd. Dieser Markt hat es also in sich. Aber eines ist er für uns Anleger damit nie: langweilig!
Investoren wie Konsumenten gleichermaßen beschäftigt dabei derzeit vor allem eine Frage: Welche Folgen hat die unstete Wirtschaftspolitik, die seit Januar in Washington betrieben wird? Wird dies das Wachstum der Weltwirtschaft massiv behindern und in der Folge den Ölpreis deutlich drücken? Zu dieser Frage unten mehr, zunächst ein grundsätzlicher Überblick:
Was bewegt den Ölpreis?
In erster Linie sind es die ökonomischen Rahmenbedingungen für die Weltwirtschaft, die für die grundsätzliche Trendrichtung entscheidend sind. Diese bestimmen die Nachfrage nach Rohöl und Benzin, Kerosin oder Heizöl. Auf der anderen Seite ist es das Angebot, das auf die Kurse einwirkt. Dabei spielt die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) eine wichtige Rolle. Allerdings stellen auch Länder, die nicht der OPEC angehören, beispielsweise Russland, die USA und Norwegen, in Bezug auf das Angebot und damit letzten Endes auf die Preisbildung eine zunehmend wichtige Größe dar. Vor allem die USA haben ihre Förderung in den vergangenen Jahren immens ausgebaut und sind mittlerweile das Land mit der höchsten Fördermenge an Rohöl von allen.
Das zweite Element ist die Spekulation am Rohstoffmarkt. Am Ende ist es die dortige Angebot-/Nachfrage-Situation, die den Kurs bestimmt. Dabei ist die reale Nachfrage nach Rohöl zwar ein wichtiges Element. Aber wenn große Spekulanten massiv über den Terminmarkt Long oder Short gehen, dominieren sie und nicht die ökonomischen Rahmenbedingungen für diesen Moment den Trend. Wichtig ist dabei (das ist auch ein entscheidender Aspekt, wenn es um eine Prognose für den Ölpreis geht), dass diese Spekulation sich an der realen Nachfrage-Entwicklung bzw. deren Perspektiven orientieren kann, aber nicht muss!
(Mehr Fakten und Informationen zum Thema Rohöl finden Sie in diesem Beitrag: „Rohöl – Fakten und Handelsmöglichkeiten“)
Sehen wir uns einmal, Stand April 2025, die vier entscheidenden Aspekte an, die den Ölpreis im weiteren Verlauf des Jahres 2025 beeinflussen könnten. Konkret sind das die Wachstumssituation weltweit, die Angebotsseite, die politische Entwicklung und vor allem der Faktor der Spekulation.
Ölpreisprognose – Ausgangslage April 2025 (1): Die ökonomischen Aspekte
Die seit Sommer 2021 sukzessiv aus dem Ruder gelaufene Inflation wurde auch durch einen immensen Anstieg der Rohstoffpreise verursacht. Dieser wiederum fußte auf einer zeitweiligen Verknappung des Angebots, weil die im Zuge der Corona-Lockdowns spürbar reduzierte Ölförderung nur schrittweise wieder angehoben wurde, während die Industrie weltweit versuchte, die durch diese Lockdowns verursachten Einbußen aufzuholen. Dafür war aber zu wenig Energie und Material vorhanden bzw. wegen der Überforderung der Logistik nicht zeitgerecht zu bekommen – das trieb den Ölpreis höher. Im Verlauf des Jahres 2022 kam ein weiterer Faktor hinzu:

Der Beginn des Ukraine-Konflikts und die damit verbundene Verunsicherung darüber, wie sich die Versorgungslage durch die Sanktionen gegen den großen Ölförderer Russland verändern würde, trieben den Kurs der wichtigsten Ölsorten zwar im ersten Halbjahr 2022 noch weiter nach oben. Aber dann kam schon der nächste Faktor ins Spiel, der den Kurs der wichtigsten Rohölsorten wiederum drückte:
Die angehobenen Leitzinsen als Maßnahme zur Bekämpfung der zu hohen Inflation bremsten das Wachstum in den USA und vor allem in Europa. Zugleich kam die chinesische Wirtschaft nach den Corona-Jahren aufgrund des in die Bredouille geratenen Immobilienmarkts nicht so sehr wieder in Fahrt, wie sich die meisten Ökonomen und Investoren das vorgestellt hatten.
Und jetzt hat ein weiterer, wichtiger Einflussfaktor das Ruder übernommen: Die drastischen Einfuhrzölle, die von der US-Regierung verhängt wurden, werden, je nachdem, wie hoch sie am Ende ausfallen und wie lang sie gelten werden, massiv Druck auf den weltweiten Warenfluss und die Nachfrage ausüben. Das bedeutet, dass die Nachfrage nach Rohöl sukzessiv sinken würde – sofern nicht zugleich das Angebot deutlich reduziert wird, dazu der nächste Punkt:
Ölpreisprognose – Ausgangslage April 2025 (2): Die Angebotsseite
Als die Weltwirtschaft im Frühjahr 2020 fast zum Stillstand kam, brach der Ölpreis massiv ein. Die OPEC+, d. h. die Organisation erdölexportierender Länder plus Russland, nahm daher im Mai 2020 eine radikale Förderkürzung um ganze zehn Millionen Barrel pro Tag vor. Die USA, die nicht in einer solchen Gruppierung organisiert sind, reduzierten die Förderung ebenfalls massiv.
2024 lag die weltweite Fördermenge zwar wieder auf dem vormaligen Rekordlevel, das in den Jahren 2018 und 2019 erreicht worden war, das sind um die 103 Millionen Barrel pro Tag, aber:
Offenbar waren der OPEC und Russland, allgemein als „OPEC+“ bezeichnet, die Preise nach der Korrektur der Panik-Preise nach Beginn des Ukraine-Konflikts schon zu weit abgerutscht. Im Herbst 2022 hatte man bereits die Fördermengen reduziert, um zu verhindern, dass die da für die Anbieter noch ideal hohen Preise zu weit absinken. Und ab dem Sommer 2023 war die tägliche Fördermenge seitens der OPEC+-Länder um mittlerweile gut zwei Millionen Barrel reduziert.

Bemerkenswert ist, dass die OPEC die Fördermenge, wie im Herbst 2024 bereits angedeutet, seit Anfang April tatsächlich schrittweise wieder steigert, was in Kombination mit dem Einfluss der Zölle zum aktuellen Abstieg des Preises geführt hat.
Aber der Ölpreis ist nicht nur von der unmittelbaren Angebot-/Nachfrage-Situation abhängig. Oft spielt die Politik indirekt in die Preisentwicklung mit hinein … und die Spekulation, zu der wir gleich auch noch kommen. Zunächst der politische Aspekt:
Ölpreisprognose – Ausgangslage April 2025 (3): Der Faktor der Politik
Die Politik spielt bei der Entwicklung des Ölpreises keine permanente Rolle, kann aber jederzeit durch bestimmte Ereignisse oder die Reaktionen darauf starke Kursbewegungen auslösen. Dabei sollte man sich nicht darauf verlassen, dass der alte Börsenspruch „Politische Börsen haben kurze Beine“ immer zutrifft – es kommt darauf an, was passiert.
Dass diese „kurzen Beine“ auch mal äußerst lang sein können, beweist die derzeitige Situation ja wie keine andere.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine Ende Februar 2022 war, wie der nachfolgende Chart zeigt, Auslöser für einen immensen Anstieg des Ölpreises. Der sich dann zwar erst einmal moderierte, aber politische Entscheidungen im Zuge dieser Krise hatten und haben weiterhin direkte Auswirkungen auf den Kurs. Der Umgang mit russischen Ölexporten, die Suche nach Alternativen durch höhere Lieferungen anderer Förderländer, die „Förderpolitik“ der OPEC, all das bewegt sich im Bereich politischer Entscheidungen.

Und aktuell ist es die unerwartet kompromisslos und zugleich nicht auf die Folgen bedacht wirkende Wirtschaftspolitik der neuen US-Regierung, die erheblich Einfluss auf die Börsen und dort auch auf den Ölpreis nimmt. Denn wie weiter oben bereits beschrieben würden hohe Einfuhrzölle in die USA und entsprechende Gegenmaßnahmen der betroffenen Staaten den Warenfluss, die Lieferketten und letztlich auch die Nachfrage nach Gütern drücken und damit den Bedarf an Rohöl reduzieren. Dass man damit derzeit rechnet, zeigt das vorstehende Chartbild deutlich.
Ölpreisprognose – Ausgangslage April 2025 (4): Das wichtige Element der Spekulation
So stark die Impulse durch die Angebotsseite, die Politik und die konjunkturellen Perspektiven auch sind: Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Preisbildung bei Rohöl letztlich an der Börse vorgenommen wird. Es ist daher am Ende die dortige Relation zwischen Käufern und Verkäufern, die die Kurse bewegt. Und ob jemand auf der Käuferseite tatsächlich ein „Abnehmer“ ist, sprich, das über den Future gekaufte Rohöl wirklich abnehmen wird oder nur aus rein spekulativen Gründen Long geht, die Position vor der Abrechnung des Futures neutralisiert und damit gar kein „echtes“ Öl beziehen will, ist egal: Einen kurstreibenden Effekt hat beides. Sehen wir uns das anhand eines Charts über einen längerfristigen Zeitraum an:

Hier sehen Sie den langfristigen Kursverlauf des Ölpreises in Relation zum marktbreiten US-Index Standard & Poor’s 500 (S&P 500). Oft verlaufen die Trends parallel, was logisch ist, da das weltweite Wirtschaftswachstum für beide Assets gleichermaßen eine Orientierung ist. Aber es gibt auch Phasen, in denen der Ölpreis völlig gegensätzlich läuft.
Am extremsten war das 2008 der Fall, als der Aktienmarkt längst einbrach, der Ölpreis aber förmlich explodierte. Das ist ein markantes Beispiel dafür, wie groß die Rolle der Spekulation beim Ölpreis sein kann. Der Kurs wurde damals förmlich durch die Decke getrieben, stieg auf im Vorfeld ungeahnte Rekorde, bevor er dann 2009 implodierte, den negativen Rahmenbedingungen doch noch folgte. Aber auch in den Jahren 2013/2014 und 2023/2024 liefen Aktienmarkt und Ölpreis gegensätzlich, ohne dass das von der Angebot-/Nachfrage-Situation oder der Politik her zwingend gewesen wäre.
Derzeit ist dieser Gleichlauf zwischen Aktienmarkt und Ölpreis indes wieder zu sehen, basierend auf der Sorge, dass die Kombination aus geopolitischen Spannungen und der aggressiven US-Wirtschaftspolitik die Weltwirtschaft in Turbulenzen stürzen kann, die Aktienmarkt und Ölpreis gleichermaßen negativ tangieren. Aber natürlich wird auch dabei seitens der Marktteilnehmer spekuliert … denn wie stark dieser negative Einfluss sein wird, bleibt natürlich offen, da sich die Rahmenbedingungen jeden Tag zum Positiven oder zum Negativen verändern können.
Wäre der Faktor der Spekulation nicht so erheblich, wäre eine Ölpreisprognose einfacher, wenngleich „einfacher“ alleine wegen der aktuell kaum absehbaren Entwicklung des Wachstums und der unberechenbaren Entwicklungen auf politischer Ebene nicht „einfach“ heißt. Aber der Spekulationsfaktor ist eben erheblich und erfordert deswegen für Anleger, die sich bei Rohöl engagieren, noch höhere Aufmerksamkeit.
Ölpreisprognose : Glaskugel vs. Charttechnik – Folgen Sie dem Trend!
Gerade im Bereich der Commodities (d. h. Rohstoffe) pflegen die charttechnisch orientierten Trader Trends konsequent und reizen diese nicht selten extrem aus. Wenn sich ein klares charttechnisches Signal zeigt und sich danach ein Trend etabliert hat, kann der sehr weit führen, über das hinaus, was man aus rein rationaler Sicht erwarten würde.
Mit der Verschärfung des Themas Zölle ist der Ölpreis (hier wie in den anderen Charts die für uns in Europa wichtigste Sorte Brent Crude) aus einem ohnehin abwärtsweisenden, keilförmigen Trendkanal nach unten ausgebrochen. Das reflektiert die Erwartung wirtschaftlicher Turbulenzen mit mittelfristig rezessivem Ausgang, aber:

Ob es wirklich zu einer den Großteil der Industrienationen erfassenden Rezession kommt und wie weit der Rohölpreis dann sinken könnte, ist eben nie klar absehbar, weswegen auch die immer wieder neu vergebenen Kursziele der Analysten am Ende meist danebenliegen.
Und gerade, weil man eine Glaskugel bräuchte, um vorhersehen zu können, wie sich die Rahmenbedingungen in den kommenden Monaten darstellen werden und was die Trader daraus machen, kann es letzten Endes nur eine Lösung geben, wenn es um die Frage geht, in welche Richtung man sich beim Rohöl-Trading orientieren könnte:
Konsequent dem Trend bzw. den charttechnischen Signalen zu folgen. Vor allem, weil ein Spruch beim Ölpreis noch öfter zutrifft als z. B. am Aktienmarkt: Unverhofft kommt oft!
Fazit unserer Ölpreis-Prognose 2025:
Legen Sie sich nie vorab fest, wenn Sie im Rohöl traden, sondern folgen Sie etablierten Trends. Die können, wie gesagt, verblüffend dynamisch und weitreichend ausfallen, und sie müssen, das haben die vorstehenden Charts gezeigt, nicht immer rational sein, d. h., den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechen. Und auch, was diese Rahmenbedingungen angeht, gilt: Was heute richtig ist, kann morgen schon falsch sein. Folgen Sie daher konsequent dem Trend und nie persönlichen Vermutungen!
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Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.